Dr. Adolph Herting (1896-1987)
Schleswigs zweiter nationalsozialistischer Bürgermeister
von Falk Ritter, Schleswig 1999
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Veröffentlicht: Ritter, F.: Dr. Adolph Herting (1896-1987)
- Schleswigs zweiter nationalsozialistischer Bürgermeister. Beiträge
der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte 44, 1999, S. 75-104.
"Hinweis" des Editors:
"Vorstand und Redaktions-Auschuß der Gesellschaft für
Schleswiger Stadtgeschichte haben sich über ein Jahr lang intensiv
mit der folgenden Arbeit befaßt.
Sie haben alle Aspekte einer möglichen Veröffentlichung geprüft;
sie sind jetzt zur Entscheidung gekommen, den Aufsatz von Dr. Falk Ritter
in den `Beiträgen zur Schleswiger Stadtgeschichte´ zu veröffentlichen,
obwohl sie mit manchen Einzelheiten der Darstellung und der Formulierung
nicht übereinstimmen.
Vorstand und Redaktions-Ausschuß bitten die Mitglieder der Gesellschaft
für Schleswiger Stadtgeschichte, sich selbst ein grundlegendes Urteil
zu bilden.
Reimer Pohl"
[1. Vorsitzender und komm. Redaktionsleiter]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Dr.Herting, der Privatmann und Zahnarzt
3.1 Die Anfänge der NSDAP im Kreis Schleswig
3.2 Dr.med. Ernst Paulsen
3.3 Jochen Meyer-Quade
3.4. Dr.med. Erich Straub
3.5. Dr.phil.Fritz Michel
3.6 Die Schleswiger NSDAP und einige ihrer Aktivitäten
4.1 Dr.Herting, der Ortsgruppenleiter
4.2 Hans Bernsau
4.3 Dr.Herting, der kommissarische Kreisleiter und Fraktionsführer
5. Dr.Herting, der kommissarische Bürgermeister
6. Schlei-Segel-Club (SSC) und Marine-SA
7.1 Dr.Herting, der NS-Propagandist
7.2 Dr.Hertings Militarismus
7.3 Dr.Hertings "Nationalsozialistische Gedanken"
7.4 Statistik des Antisemitismus in Schleswig 1930-1933
7.5 Die jüdische Familie Weinberg
7.6 "Bestes Menschenmaterial"
7.7 Kein Recht auf Existenz für Nichtdeutschblütige
7.8 Die Wähler
7.9 Das Sterilisationsgesetz
8.1 Die Entnazifizierung
8.2 Bewertung von Dr.Hertings Aussagen im Entnazifizierungsverfahren
8.3 Die Leumundszeugnisse
9. Mit dem Röhm-Putsch war alles vorbei?
10. Ergebnis, Anmerkungen, Nachweis der Abbildungen
1. Einleitung
Dr.Adolph Herting führte von 1953 bis 1973 mit seinem ältesten
Sohn Dr.Hans-Adolph Herting eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis.
Um die beiden zu unterscheiden, wurden sie von ihren Patienten immer "Der
alte Dr.Herting" und "Der junge Dr.Herting" genannt.
Dr.Adolph Herting (Abb.1) hat sich als Zahnarzt durch die Einführung
der Schulzahnuntersuchungen (1936), die Gründung des Zahnärztevereins
(1954) und die Errichtung der Zahnstation im Landeskrankenhaus Hesterberg
(1973) einen Namen gemacht.
Für das Verständnis der nationalsozialistischen Machtergreifung
in Schleswig stellt er eine Schlüsselfigur dar, die von früheren
Autoren noch nicht in ausreichendem Maße gewürdigt wurde.
Dies gilt insbesondere für seinen jüngsten Sohn Dietrich, der
für Dr.Hertings Zeit als Politiker keine eigenen nachprüfbaren
Quellen beisteuert 1).
Der Verfasser hat Dr.Herting nur einmal flüchtig gesehen.
Da er aber den selben Beruf im selben Stadtteil wie vor ihm Dr.Herting
ausübt, kennt er die Einstellung einiger seiner Patienten.
Insbesondere die älteren sprachen über ihn mit großem Respekt.
Manche erwähnten, hinter vorgehaltener Hand bedeutungsvoll nickend,
mit etwas leiserer Stimme, daß "er im Dritten Reich einmal ein
ganz Großer war".
Auch gab es für den Verfasser warnende Stimmen, die ausdrücklich
nicht namentlich zitiert werden wollten:
"Lassen Sie die Finger vom alten Dr.Herting!
Sie könnten sich selbst schaden!"
Bedenkt man die Konflikte anläßlich der ersten Veröffentlichung
über Dr.Herting, dann waren solche Warnungen durchaus berechtigt.
Der Verfasser hat sich einen Überblick über die Schleswiger Nachrichten"
(SN), den "Schleiboten" und die "Friedrichstädter Zeitung"
verschafft 2), die er von ihren Anfängen bis 1954 mehr oder weniger
intensiv gelesen hat, weshalb er folgende Aussage machen kann:
Dr.Hertings schriftlicher Niederschlag in den SN war außergewöhnlich
zahlreich und in seiner Form einmalig im Kreis Schleswig.
Das ist ein großer Gewinn für das dunkelste Kapitel der deutschen
Geschichte, vor allem deshalb, weil Dr.Herting seine nationalsozialistischen
Gedanken und Gefühle in der Öffentlichkeit ausbreitete.
2. Dr.Herting, der Privatmann und Zahnarzt
Adolph Herting wurde am 4. Oktober 1896 in Schleswig als Sohn des Kaufmanns
Carl Herting und seiner Frau Frieda, geb. Möller, geboren.
Carl Herting führte ein Einzelhandelsgeschäft in der Süderholmstr.
8.
In Inseraten bot er "Möweneier auch zum Versand", Gesundheitsbier,
Malzbier, Fußbodenöl und Mineralwasser an 3).
1913 setzte er sich im Wahlkampf für die "Fortschrittliche Volkspartei"
ein 4).
Nach dem Kapp-Putsch 1920 wurde Carl Hertings Haus nach Waffen durchsucht
5).
Bis kurz vor seinem Tode 1929 gab er in seiner Eigenschaft als Kassierer
des "Vereins zur gegens.
Unterstützung bei Sterbefällen" regelmäßig Anzeigen
6) in der SPD-eigenen Volkszeitung auf.
Zusammen mit seiner vier Jahre älteren Schwester Paula wuchs Adolph
Herting auf dem Holm auf, über den er später den Artikel "Holmer
Jungs und Deerns" schrieb 7).
Er wurde 1,80 Meter groß und war schlank 8).
Er besuchte die Domschule, wo er im Februar 1914 das Abitur ablegte, schlug
in Wilhelmshaven die Laufbahn eines Marinezahlmeisters ein, brach diese
aber ab, um sich in Kiel in Medizin zu immatrikulieren 9).
Am 1.Weltkrieg nahm Adolph Herting als Freiwilliger im Sanitätsdienst
teil, wo er für seine Tapferkeit das EK II erhielt 10).
Ab 1919 studierte er in Kiel und Marburg Zahnmedizin und promovierte 1921
zusammen mit Johannes Marcussen in Kiel mit einer Reihenuntersuchung der
Zähne von 3018 Schulkindern aus Schleswig und den umliegenden Dörfern
11) zum "Doctor medicinae dentium".
Seine Assistenzzeit verbrachte er in Stettin, wo er seine zukünftige
Frau Gertrud Kaintoch kennenlernte und am 15. April 1922 heiratete.
Bis 1936 gebar sie ihm vier Töchter und zwei Söhne.
1921 übernahm Dr.Herting in Brake an der Unterweser eine Praxis.
1927 zog er wieder nach Schleswig und übernahm in der Friedrichstr.
8 vorübergehend Praxisräume, die vor ihm der Dentist Ulrich Anthon,
nach ihm der Dentist Johannes Moritzen sen. innehatte.
Am 10. November 1928 eröffnete er seine Praxis in der Bahnhofstr.2.
Die Ortskrankenkasse Schleswig gab 1931 seine Kassenzulassung bekannt 12).
Ein Praxisumzug ist immer ein wichtiges Ereignis, doch wir wissen nicht,
warum Dr.Herting zuerst in Brake und dann erst in Schleswig seine Praxis
eröffnete.
Es gibt dafür aber einige Hinweise:
- Die Niederlassungsfreiheit war für Zahnärzte eingeschränkt.
So mußte Dr.Herting nehmen, was er bekommen konnte.
- Brake liegt unweit von Wilhelmshaven, wo er vor dem Kriege anläßlich
seiner Ausbildung zum Marinezahlmeister stationiert war 13). Die Landschaft
nördlich von Oldenburg war ihm somit vertraut.
- Er segelte gern, was er auf der fast einen Kilometer breiten Weser tun
konnte 14).
- Als der Verfasser Dr.Hertings winziges Haus 15) (Abb.2) in Brake zum
ersten Mal sah, fühlte er sich an die kleinen Häuser auf dem
Schleswiger Holm erinnert.
Wir wissen auch nicht, warum Dr.Herting von Brake wieder fortzog, aber
die engen Platzverhältnisse in dem winzigen Haus haben nach der Geburt
des dritten Kindes sicher dazu beigetragen. Sein Haus in der Bahnhofstaße
ist dagegen sehr geräumig.
Dr. Hertings Haus in Brake
Dr.Herting muß ein Energiebündel gewesen sein, denn neben seinem
Beruf und seinem starken politischen Engagement für die NSDAP Anfang
der 30er Jahre fand « er noch Zeit, auf zahnmedizinischem Gebiet
zu forschen.
So stellte er 1933 in einer zahnärztlichen Fachzeitschrift einen selbstentwickelten
"Druckablenker" vor, der einen "Beitrag zur Entlastungstherapie"
bei Paradentose und nächtlichem Knirschen darstellen sollte 16).
Im Dezember 1934 machte er mehrere Eingaben an staatliche Behörden
in Schleswig.
Er legte dar, daß er bei einer Untersuchung in drei Schulen im Kreis
Schleswig viele Kinder mit verfallenen Zähnen gefunden habe und schlug
vor, schulzahnärztliche Behandlungen auf dem Lande einzuführen.
Sein Kostenvoranschlag zwecks Anschaffung einer "automobilen Zahnpflegestation"
wurde mit dem Hinweis auf eine "finanzielle Sperrverordnung"
abgelehnt 17).
Am 25. Januar 1936 berichteten die SN über einen Elternabend in der
Lornsenschule, an dem Dr.Herting sein Konzept der Schulzahnuntersuchungen
vorgestellt hatte (Vgl. Kapitel 7.6).
Wie den Akten zu entnehmen ist, sollten die Zahnärzte - nicht die
Dentisten 18) - die Schüler in ihren Schulen untersuchen.
Dieses wurde tatsächlich verwirklicht, doch wurden die Zahnärzte
entgegen ihrer Erwartungen dafür nicht bezahlt.
Nur die Fahrtkosten wurden ihnen ersetzt, worüber sie wohl kaum begeistert
waren.
Mit Ausbruch des 2.Weltkrieges wurde Dr.Herting in die Wehrmacht eingezogen
und in Frankreich als Zahnarzt eingesetzt.
1945 kam er in St .Nazaire für ein Jahr in französische Kriegsgefangenschaft.
Seine Praxis wurde zwischenzeitlich von dem Kollegen Dr.Gronert weitergeführt
19).
1949 nahm Dr.Herting seine zahnärztliche Tätigkeit wieder auf
und 1954 las man in den SN wieder über einen Vortrag zur Zahngesundheit
von ihm 20).
In der Nachkriegszeit wurden viele Vereine gegründet, so auch der
"Zahnärzteverein des Kreises Schleswig" am 29. Mai 1954.
Dr.Herting wurde sein erster 1. Vorsitzender 21).
Es gab ein neues Zahnheilkundegesetz, dass zur Folge hatte, daß die
Dentisten nach einem Aufbaulehrgang in die Zahnärzteschaft übernommen
wurden.
Für die Patienten war jetzt der Doktorgrad - von einigen Ausnahmen
abgesehen - ein grobes Unterscheidungsmerkmal dafür, ob sie sich in
die Hände eines Zahnarztes oder eines ehemaligen Dentisten begaben.
Im Vorstand des Zahnärztevereins arbeitete Dr.Herting mit Dr.Johannes
Trahn (Abb.3) und dem ehemaligen Dentisten Johannes Viohl zusammen.
Dr.Trahn hatte seine Praxis im Lollfuß schon seit 1913.
Er stand Dr.Herting politisch relativ nah, war er doch in der sogenannten
"Kampfzeit" der 30er Jahre Ortsgruppen- und Kreisführer
vom "Stahlhelm" gewesen.
Johannes Viohl war von 1933 bis 1944 NSDAP-Ortsgruppenleiter von Kropp
22).
Es gab es nur wenige Posten innerhalb der Zahnärzteschaft, die Dr.Herting
nicht bekleidet hatte.
So wurde er auch Mitglied der Zahnärztekammer, der Vertreterversammlung
der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und Beisitzer im Berufsgericht.
Wenn Dietrich Herting behauptet, daß sein Vater das Amt des Beisitzers
im Berufsgericht der Zahnärztekammer "nur mit äußerstem
Unbehagen ausübte" 23), so irrt er sich.
Dieses Amt wird einem Kammermitglied nicht aufgezwungen.
Nur wenn man sich dazu bereiterklärt, kann man dort hineingewählt
werden.
1970 starb Dr.Hertings Frau.
1971 gab die Zahnärztekammer zum ersten Male eine silberne Ehrenmedaille
heraus.
Sie war für Kollegen gedacht, die sich auf Landesebene verdient gemacht
hatten.
Dr.Herting war der Erste, der sich damit schmücken konnte 24).
Die goldene Medaille war für die "Bundesebene" vorgesehen.
Seit 1953 betrieb Dr.Herting seine Praxis in Gemeinschaft mit seinem Sohn
Dr.Hans-Adolph Herting.
1973 zog sich der Senior nicht nur aus der Praxis zurück, sondern
gab auch das Amt des Vereinsvorsitzenden ab.
Dr.Herting war zwar schon 77 Jahre alt, aber immer noch voller Tatendrang.
Da kam ihm Professor Meyerhoff, der Direktor der Kinderabteilung des Landeskrankenhauses
in Schleswig, kurz "Hesterberg" genannt, wie gerufen.
Prof. Meyerhoff wollte etwas für die Zähne seiner Zöglinge
tun, über die der Schleswiger Zahnarzt Dr.Julius Doll bereits 1921
eine Doktorarbeit mit dem Titel: "Die Zahn- und Kieferanomalien der
Pfleglinge in der Provinzial - Idiotenanstalt Schleswig Hesterberg, ein
Beitrag zu Idiotie und Gebiss." geschrieben hatte 25).
Ein Behandlungszimmer wurde eingerichtet und Dr.Herting behandelte die
"unruhigen" Patienten dort in Vollnarkose 26).
Die "ruhigen" Patienten wurden turnusmäßig von Kreisvereinskollegen
mit oder ohne Lokalanästhesie saniert.
Bis 1981 machte er das, da war er bereits 85 Jahre alt.
Aber er hatte immer noch Energie.
Er hatte schon als Soldat im 1. Weltkrieg gemalt, jetzt nahm er Malunterricht
bei seinem Schwiegersohn Rolf Heckt.
Und anläßlich seines 90. Geburtstages wurde Dr.Herting zu Ehren
sogar eine Vernissage abgehalten, die Dietrich Herting nicht erwähnt
27).
Aber ein Schleswiger Zeitungsreporter hat das Ereignis festgehalten:
"Aus Anlaß des 90. Geburtstages ihres Vaters, des Zahnarztes
Dr.Adolph Herting, Schleswig, stellte die Galeristin Oda Heckt-Herting
in ihrer "Lütt Galerie" in Füsing ihn als malenden
Zahnarzt mit Zeichnungen und vielen kleinformatigen Ölbildern vor.
Die ersten Zeichnungen - so Oda Heckt-Herting in ihrer Einführung
- seien bereits 1916 entstanden. Sie habe ihr Vat er als Sanitätsunteroffizier
in einem Lazarett wohl mehr aus Langeweile gefertigt." 28)
Dietrich Herting schildert seinen Vater als einen religiösen Menschen
29).
Nach den Informationen, die dem Verfasser zugängig sind, schien sich
Dr.Herting erst ab 1935 religiös engagiert zu haben.
Dabei suchte er nicht die Nähe zur etablierten Kirche, die ihn getauft
hatte, sondern zu Außenseitern.
Wie die Kriminalpolizei 1935 vermerkte 30), nahm er an einer Ludendorff-Veranstaltung
teil.
Diese Bewegung geht auf Mathilde Ludendorff zurück, die Ehefrau des
1. Generalquartiermeisters Erich Ludendorff.
Die Elemente dieser Sekte könnte man ganz kurz so beschreiben: Christentum
minus Judentum plus Germanentum plus Rassismus.
In einem politischen Aufsatz 1932 nannte Dr.Herting sie noch verächtlich
"Tannenbaum-Sekte", weil sie den Religionskampf ins Volk tragen
wolle 31).
Bald wurde auch diese Bewegung von den Nationalsozialisten unterdrückt
und so nannte er sich "gottgläubig" 32).
Sein Kirchenaustritt 1937 33) fand auf auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen
antikirchlichen Propaganda statt, auf die Papst Pius XI ziemlich hilflos
mit der Enzyklika "Mit brennender Sorge" reagiert hat.
1945 kehrte Dr.Herting wieder in die Kirche zurück 34).
Im Alter beschäftigte er sich mit den Rosenkreutzern, einer den Freimaurern
ähnlichen Loge, die auch jüdische Elemente enthält 35).
In seinem "Suchen" nach "Wahrheit und Lebenssinn ... hat
er ... seinen Weg zu Jesus gefunden.", so die Meinung seines Sohnes
36).
Dr.Adolph Herting starb am 27. November 1987.
3.1 Die Anfänge der NSDAP im Kreis Schleswig
Die NSDAP-Stadtverordnetenfraktion 1933, von links nach
rechts;
vordere Reihe: Dr.Herting, Peter Hinrichsen, Hinrich Blum, Willi Koll
hintere Reihe: Karl Reusch, Willy Stadelmann, Heinrich Lausen, Heinrich
Peters, Nikolaus Asmussen, Dr.Hans Dehning, Willy Jensen
Antisemitische Wahlpropaganda gab es im Kreis Schleswig schon 1912 37),
setzte sich nach dem Kriege fort 38) und gipfelte 1921 im ersten Hakenkreuz
des "deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes" 39).
1924 luden die Vorläufer der NSDAP zu Versammlungen ein 40), erlangten
bei den Wahle aber nur geringe Anteile.
Die Gründung der ersten Ortsgruppe im Kreis erfolgte am 1. März
1925 in Tolk.
Stammlokal war das "Haus Waldlust" am Langsee.
Die Gruppengröße stagnierte lange auf niedrigem Niveau, was
sich erst änderte, als am 2. August 1928 eine fünfköpfige
Sturmabteilung (SA) mit Hans Roos (Abb.3) als Scharführer aufgestellt
wurde.
Ende des Jahres 1928 rundete eine ebenso starke "Hitler-Jugend"
die nationalsozialistische Keimzelle ab 41).
3.2 Dr.med. Ernst Paulsen
In Schleswig hatte die NSDAP in den zwanziger Jahren einen schweren Stand.
Die Ortsgruppe wurde 1925 von dem Kieler Arzt Dr.Ernst Paulsen 42) gegründet,
der seine meist auswärtigen Mitglieder aus der "Höheren
Lehranstalt für praktische Landwirte" rekrutierte 43).
Er selbst arbeitete an der Schleswiger Landes-Heil- und Pflegeanstalt.
3.3. Jochen Meyer-Quade
Nach Dr.Paulsens Tod im Jahre 1927 wurde Jochen Meyer-Quade (Abb.3)
sein Nachfolger und im folgenden Jahr auch Kreisleiter.
Meyer-Quade war landwirtschaftlicher Inspektor und Schriftleiter der "Norddeutschen
Landwirtschaftlichen Zeitung" 44).
Im Juli 1927 stellte er den Schleswiger SA-Sturm 7 auf.
1933 avancierte er zum Landrat des Kreises Schleswig 45) und 1934 wurde
ein Schleidampfer nach ihm benannt
46). Weitere Daten aus Meyer-Quades Vita:
1897 in Düsseldorf geboren, Weltkrieg I-Teilnehmer, EK I, Karriere
bei der SA bis zum Obergruppenführer, Mitglied des preußischen
Land- und Reichstages, 1934 Polizeipräsident von Kiel und Beisitzer
im Volksgerichtshof 47).
Am 9. November gab er von München aus telefonisch das Startsignal
für die "Reichskristallnacht" in Schleswig-Holstein 48).
Meyer-Quade fiel gleich als einer der ersten Soldaten im Polenfeldzug.
3.4 Dr.med. Erich Straub
Bei den Kommunalwahlen im November 1929 errangen die Nationalsozialisten
im Kreis Schleswig 28,2 % und in der Stadt 12,2 % der Stimmen.
Dr.Erich Straub (Abb.4) 49), 1885 in Durlach geboren, seit 1919 Arzt in
der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Schleswig, zog als erster NSDAP-Abgeordneter
1929 in das Schleswiger Rathaus ein 50).
1933 stieg er zum "Landesrat" in Kiel auf, und von 1941-1943
war er im Rahmen der "Aktion T4" Euthanasie-Gutachter in Berlin.
Gegen Kriegsende kam er ums Leben 51).
3.5 Dr.phil. Fritz Michel
Wichtig für den Aufstieg der NSDAP war Dr.Fritz Michel
(Abb.5), der Hauptschriftleiter der "Schleswiger Nachrichten"
(1923 bis 1936) 52).
Seine Sympathie für die NSDAP konnte man seiner Berichterstattung
in den SN zum Kommunalwahlkampf seit dem 30.9.1929 entnehmen.
Im Jahre 1931 begann Dr.Michel, die NSDAP offen zu unterstützen.
Zwischen 1933 und 1935 war er für drei nationalsozialistische Anprangerungen
in seiner Zeitung verantwortlich, die die betroffenen Personen in große
Schwierigkeiten brachten 53).
Mitglied der NSDAP wurde er erst am 1. Mai 1933, und als solches leitete
er am 23. Juni 1933 die Bücherverbrennung auf dem Stadtfeld.
Weitere Daten über Dr.Michel:
1895 in Dortmund geboren, Weltkrieg I-Teilnehmer, EK II.
Von 1937 bis 1941 arbeitete er als Hauptschriftleiter des NSDAP-Organs
"Nordische Rundschau" in Kiel.
Zusammen mit dem Gauleiter Lohse ging er 1941 nach Riga, wo er bis Ende
1944 die "Deutsche Zeitung im Ostland" leitete.
Nach einem kurzen Intermezzo in Magdeburg 1945 wurde er nach dem Kriege
zwei Jahre lang von der britischen Besatzungsmacht interniert 54). Sein
Entnazifizierungsverfahren ergab die Einstufung in die Kategorie IV (Mitläufer).
Von 1949 bis 1965 leitete er erneut die Redaktion der SN.
Außerhalb seines Berufes ging Dr.Michel seinen literarischen Neigungen
nach, die durch Gedichte und Reisebeschreibungen belegt sind 55). Er starb
1978 56).
3.6 Die Schleswiger NSDAP und einige ihrer Aktivitäten 1932-1938
Ein überwältigender Erfolg für die Nationalsozialisten
wurde die Reichstagswahl vom 31. Juli 1932.
Die NSDAP errang in der Stadt Schleswig 50,7 %, im Kreis Schleswig 77,4
% der Stimmen.
Abgesehen von der SPD-Hochburg am Gallberg konnte überall im Kreis
Schleswig das Hakenkreuz zum Zeichen des Sieges gehißt werden 57).
Bei der Kommunalwahl am 12. März 1933 errang die NSDAP mit zehn von
18 Sitzen im Rathaus die absolute Mehrheit.
Flaggenhissung vor dem Refierungsgebäude am 6.3.1933
1. Reihe vorne von links: Meyer-Quade, Christian Schmidt, Boecker, Dr.Herting,
Dr.Trahn,
Vom 31. März bis 5. April 1933 berichteten die SN über die Durchführung
des Boykotts jüdischer Geschäfte in Schleswig 58).
Am 19. Juni 1933 "wurde in Schleswig ein älterer Mann von SA-Leuten
durch die Strassen der Stadt geführt.
Auf der Brust hatte er ein Plakat mit der Inschrift: ,Halsabschneider´,
auf dem Rücken mit der Aufschrift ,Wucherer´" 59).
In der "Reichskristallnacht" am 9./10. November 1938 rotteten
sich SA-Leute in Schleswig vor dem sogenannten "Judenhus" am
Hesterberg 4 zusammen, um zu randalieren, mußten aber wieder unverrichteter
Dinge abziehen, weil es dort keine Juden gab 60).
4.1 Dr.Herting, der Ortsgruppenleiter
Am 1. November 1929, drei Wochen vor den Kommunalwahlen und eine Woche
nach dem Börsensturz in New-York, trat Dr.Herting in die Schleswiger
NSDAP als Mitglied Nr.159.752 ein 61).
Als Begründung für seinen Beitritt konnte man 1934 in den SN
lesen:
"In Zeiten der Not des Vaterlandes und des Volkes sei es Pflicht für
jeden gesunden Deutschen, daß er sich zur Verfügung stellt,
sei es im Kriegsfall, sei es in Zeiten innerer Not, wie es in den letzten
zehn Jahren der Fall war.
Dieser Erkenntnis folgend, sei es eine Selbstverständlichkeit für
ihn gewesen, daß, sobald er von der Idee Adolf Hitlers erfuhr, er
sich dieser zur Verfügung stellte." 62)
Die Wahrscheinlichkeit, daß Dr.Herting in der "SPD-Stadt"
Brake vom Nationalsozialismus angesteckt wurde, ist gering, denn zu seiner
Zeit gab es dort keine Braunhemden.
Die drangen erst nach der "Machtergreifung" aus den umliegenden
Dörfern ein 63).
Am 1. April 1930 wurde er Ortsgruppenleiter der Schleswiger NSDAP.
Dr.Herting bekleidete dieses Amt bis zum 31. August 1932.
Mit ihm kam Schwung in die Schleswiger NSDAP.
Er organisierte viele Parteiversammlungen.
Ein erster Bericht in den SN am 18. August 1930 liest sich so:
"Aus dem Wahlkampf der N.S.D.A.P.
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, die mit der Hitler-Kundgebung
in Kiel am vorigen Sonntag den Wahlkampf eröffnet hatte, hielt am
Sonnabendabend bei namentlich auch vom Lande gut besuchtem Hause im Hotel
Hohenzollern eine öffentliche Versammlung ab.
Dr.Herting zog einleitend einen Vergleich zwischen Jetzt und der Zeit vor
80 Jahren, als durch die Dänen jede deutsche Regung unterdrückt
wurde.
Nachdem darauf hingewiesen war, daß das Tragen aller Waffen verboten
sei, nahm der Referent, Hauptschriftleiter Zietkow-Berlin, das Wort ..."
Typisch für das Auftreten von Dr.Herting war die Organisation einer
Versammlung, das Sprechen einleitender Worte, das Vorstellen des Redners
und das Schließen der Versammlung.
Zeitungsberichten zufolge waren die NSDAP-Versammlungen häufig gut
besucht.
Dafür sorgte insbesondere Meyer-Quade, über den die "Schleswig-Holsteinische
Tageszeitung" am 25. August 1932 schrieb: "
Als Ortsgruppenleiter Dr.Herting die Versammlung eröffnete ... [ertönten]
Heilrufe im Vorraum, Händeklatschen, und freudige Zurufe im Saal:
,Meyer-Quade kommt!´ ... Mit großem Jubel und spontanen Heilrufen
dankte man dem Redner."
Den Rahmen solcher Veranstaltungen bildeten Fahnen und die SA-Kapelle unter
Leitung ihres Dirigenten Walter Böttcher 64) und den Abschluß
das Absingen des Horst-Wessel-Liedes: "Die Fahne hoch".
Als Nationalsozialist trug Dr.Herting Uniform, was aber 1930 noch verboten
war 65).
Ein Polizeibeamter stellte ihn deshalb an einem Samstagnachmittag im Juni
1930 zur Rede und zeigte ihn beim Bürgermeister Dr.Behrens an.
Dr.Herting reagierte trotzig.
Er gab zu, das Verbot zu kennen, hielt es aber für ungerechtfertigt
und ließ durchblicken, daß er es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung
anlegte.
Bürgermeister Dr.Behrens reagierte gelassen und ließ Dr.Herting
wissen, daß er im Wiederholungsfalle mit Bestrafung zu rechnen habe
66).
1931 brachte die Volkszeitung folgenden Bericht:
"Wir erinnern uns, daß anläßlich der Schleiwoche
Nationalsozialisten mit dem Jollenkreuzer Dr.Hertings zu nächtlicher
Stunde die Schlei befuhren und die Seezeichen mit Hakenkreuzplakaten beklebten,
ein Vorgang, den die ,Schleswiger Nachrichten´ schamhaft verschwieg.
Wir haben bisher nicht gehört, daß wegen dieser "Heldentaten"
jemand bestraft wäre.
Es sollte denn sein, daß den Tätern Geldstrafen durch Strafbefehl
auferlegt worden sind, die diese in aller Stille entrichtet hätten."
67)
Dr.Herting bekannte sich 1937 öffentlich und stolz zu dieser Tat 68),
und im Entnazifizierungsverfahren gab er an, "1 oder 2 mal je 10.-
RM Ordnungs-Strafe im Jahre 1931 oder 1932" bezahlt zu haben: "Grund
nicht mehr erinnerlich." 69)
4.2 Hans Bernsau
Dr.Herting hatte nicht nur Probleme mit der Obrigkeit,
sondern auch mit seinen Parteigenossen.
Dabei handelte es sich insbesondere um Hans Bernsau (Abb.6), der 1926 zur
Schleswiger NSDAP gestoßen war und dem Schleswiger SA-Sturm 7 seit
1927 angehörte.
Bernsau war seit 1929 Bezirks-Geschäftsführer der NSDAP und gehörte
zu den sogenannten Draufgängern.
Das brachte ihn häufiger vor Gericht, u.a. wegen Hausfriedensbruchs
70), verbotenen Tragens einer NSDAP-Uniform 71) und Beleidigung von Stresemann
72).
Für die Beleidigung kassierte er sogar zwei Wochen Gefängnis
73).
Seinen letzten Coup landete Bernsau - Markenzeichen grüner Lodenmantel
74) - am Morgen des 2. Mai 1931 gegen 3.00 Uhr, als er zusammen mit einigen
SA-Leuten am Domziegelhof in das Lokal "Zentralhalle" eindrang,
um bei den Roten Flagge zu zeigen und sie zu provozieren.
Doch wurde er aus dem Lokal geworfen und gab bei der Verfolgung einen Schuß
ab.
Dies erboste seine Verfolger noch mehr, sie holten ihn wieder ein und schlugen
ihn grün und blau.
Nach Bekanntwerden des Vorfalls meldeten die SN, "daß der Vorsitzende
der NSDAP [Dr.Herting] den Geschäftsführer Bernsau ausschließen
mußte, weil er durch den Besuch eines von Kommunisten und Sozialdemokraten
gefüllten Lokals provozierend gewirkt und dadurch eine Schlägerei
verursacht habe.
Es sei das Ansehen der Partei geschädigt worden, und vor allem habe
er gegen die Grundsätze der Parteidisziplin gehandelt. ... Ob er später
anderen Ortes je wieder in die Bewegung aufgenommen werden kann, wird von
der gerichtlichen Klärung des Vorfalls abhängen.
Doch sind die Satzungen der NSDAP in diesem Punkt sehr streng." 75)
Daß Dr.Herting wegen dieses Rauswurfs Ärger mit dem Gauleiter
Lohse bekam 76), wie er im Entnazifizierungsverfahren schilderte, ist sehr
wahrscheinlich.
Bernsau wurde acht Wochen später vom Vorwurf des unerlaubten Schußwaffengebrauchs
freigesprochen.
Das Gericht konnte Bernsaus Behauptung nicht widerlegen, daß er nur
eine Schreckschußpistole benutzt hatte 77).
Auch hielt er wieder Reden in Rabel und Schwackendorf 78).
Da er aber im Kreis Schleswig eine unerwünschte Person geworden war,
zog er sich in seine Heimatstadt Iserlohn zurück und wurde dort am
18.1.1933 im Alter von 27 Jahren erschossen 79).
Der Täter war vermutlich ein Kommunist.
Durch diesen Tod avancierte Bernsau in Schleswig zum Märtyrer.
In den SN konnte man Dr.Hertings Laudatio lesen:
"Hans Bernsau sei ein alter Vorkämpfer der nationalsozialistischen
Bewegung gewesen.
Er wäre einer derjenigen, die am eifrigsten gearbeitet hätten,
um die erste Bresche in die Front der Gegner in Schleswig zu schlagen,
in die Front der Marxisten einerseits und die der bürgerlichen Wirtschaftsgruppen
andererseits.
Er sei der gefürchtetste und bestgehaßte Gegner der Marxisten
gewesen" 80).
Im Oktober 1933 wurde zu Ehren dieses Märtyrers der Amalienplatz in
Hans-Bernsau Platz umgetauft 81) und 1937 die SA-Dankopfer-Siedlung 82)
"Am Alten Wall" nach ihm benannt.
4.3 Dr.Herting, der kommissarische Kreisleiter und Fraktionsführer
Vom 1. September 1932 83) bis 12. März 1933 fungierte Dr.Herting
als kommissarischer Kreisleiter der NSDAP.
Am 5.Januar 1933 fand die Schleswiger Öffentlichkeit eine erstaunliche
Anzeige in den SN:
"In der Stadt Schleswig gehen Gerüchte um, nach denen ich ,meine
sämtlichen Aemter niedergelegt hätte und aus der N.S.D.A.P. ausgeschieden
sei!´ Selbstverständlich ist das derselbe Unsinn wie die Berichte
über S.A.-Revolten, die von unseren Gegnern anscheinend schematisch
unter die Leute gebracht werden, um den Anschein eines Auseinanderfallens
der Bewegung zu erwecken. Dieser Wunsch ist aber auch hier der Vater des
Gedankens. Ich halte nach wie vor der N.S.D.A.P. und ihrem Führer
die Treue. Dr.Herting, Kreisleiter"
Was war geschehen?
Der Konflikt zwischen Hitler und Gregor Strasser, dem Vertreter des sozialistischen
Flügels der NSDAP, der am 8.Dezember 1932 von allen seinen Parteiämtern
zurückgetreten war, wirkte sich auch in der Provinz aus.
Am 12.1.1933 las man in der Volkszeitung von der "wackligen Front
in Schleswig" und "daß das wilde Durcheinander, das jetzt
besonderes Merkmal in der Führerschaft der NSDAP ist, auch auf die
kleinen Vereine im Lande abzufärben scheint.
Die ehemals aktivsten Kämpfer lassen sich ,beurlauben.
Warum kursierten Gerüchte, daß ausgerechnet Dr.Herting aus der
Partei ausgetreten wäre?
Der Grund war vermutlich seine Frau Gertrud, die ein halbes Jahr vorher
die NSDAP verlassen hatte, was vielleicht jetzt erst bekannt wurde.
Über ihren Parteiaustritt wird in Kapitel 9 noch ausführlich
berichtet werden 84).
Am 30. Januar wurde Adolf Hitler Reichskanzler, und für die Nationalsozialisten
war die Welt endlich in Ordnung.
Am 5. März folgte eine Reichstagswahl, und am 12. März wurde
die im Spätherbst fällige Kommunalwahl vorzeitig durchgeführt.
Interessant war das Verhalten der bürgerlichen Kreise in Schleswig,
die sehr blauäugig gewesen sein mußten, wollten sie sich doch
ausgerechnet in einer Einheitsliste mit der NSDAP das politische Überleben
gegenüber dem Marxismus (damit war die SPD gemeint) sichern.
Aber Dr.Herting stellte harte Bedingungen wie den Fraktionszwang 85), den
die bürgerlichen Kreise nicht annehmen wollten.
Er war Realpolitiker, und das Wahlergebnis trug seiner machtpolitischen
Einschätzung in vollem Umfang Rechnung, errang die NSDAP am 12. März
1933 doch zehn der 18 Sitze im Rathaus (Abb.7).
Er wurde Fraktionsführer der NSDAP und am 21. September 1933 (unbesoldeter)
Stadtrat.
Ein Bericht der SN beschrieb die erste Tagung im Rathaus und schilderte
die Angst der neuen Opposition vor der NSDAP:
"Der Fraktionsführer der NSDAP Dr.Herting, rechnete mit dem Vergangenen
ab ... und brachte ein Hoch auf den Führer und Kanzler Adolf Hitler
aus.
SPD.- Zwischenrufe während der Rede blieben geflüsterte Versuche."
86)
Die Angst war sehr berechtigt, resümierte Dr.Herting doch am 14. Juni
1933 in den SN:
"In politischer Hinsicht galt es zunächst, diejenigen Elemente
aus den städtischen Betrieben auszumerzen, die als Widersacher und
Gegner der Entwicklung der nationalen Revolution hindernd im Wege standen.
Hierbei ist man im weitesten maße menschlich vorgegangen, und es
widerstrebte, die kleinsten Fälle rücksichtslos zu behandeln.
Wo aber Hetzer am Werke waren, die auch heute noch ihre marxistischen Triebe
nicht unterdrücken können und wollen, da hat man rücksichtslos
durchgegriffen."
Von den Schleswiger Nationalsozialisten war Dr.Herting der einzige, der
öffentlich so deutlich sprach.
Er war damit einer der Verantwortlichen für die politische Verfolgung
Andersdenkender.
Darunter litten unter vielen anderen der Schleswiger Redakteur der Volkszeitung,
Andreas Paysen und der Gewerkschaftsführer Johannes Weiß, die
verhaftet, massiv eingeschüchtert und nach einiger Zeit wieder freigelassen
wurden.
5. Dr.Herting, der kommissarische Bürgermeister
Dr.Oscar Behrens war Schleswigs Bürgermeister seit dem 1. April
1913.
Das Ende seiner Amtszeit beschrieb er 1963 selbst so:
"Nach der sogenannten M achtergreifung im Jahre 1933 wurden wohl alle
meine Kollegen in Schleswig-Holstein von den neuen Machthabern schnell
beseitigt.
Teilweise warf die SA ihnen vorher die Fenster ein (Itzehoe), teils wurden
sie vorher verhaftet (Kiel, Altona), teils waren sie geflohen (Altona).
Mir gegenüber benahm man sich anfangs besser.
An verschiedenen Dingen merkte ich aber, daß man mich loswerden wollte."
87)
Am 11. August 1933 übernahm der Lehrer, Beigeordnete und SA-Sturmführer
Hinrich Blum (Abb.7) kommissarisch für 75 Tage die Amtsgeschäfte
des Bürgermeisters.
Öffentlich wurde er aber nicht als solcher bezeichnet.
Am 24. Oktober 1933 wurde Dr.Herting überraschend zum kommissarischen
Bürgermeister ernannt 88).
Über seine politischen Ziele hatte er sich 1932 noch so geäußert:
"Unser erstes Ziel ist, die politische Macht auf legalem Wege zu erreichen
... aus dem heutigen Deutschland wieder einen Staat der Sauberkeit und
Würde, des Friedens und der Freiheit, der Arbeit und der Ehre zu errichten."
89)
"Parlamentarismus gibt es im nationalsozialistischen Staate nicht
mehr.
An Stelle des Parlamentes tritt eine Ständekammer." 90)
Als kommissarischer Bürgermeister setzte er neue Prioritäten,
wie die SN berichteten:
"Meine Hauptaufgabe, so betonte Dr.Herting ... , wird es sein, die
nationalsozialistische Weltanschauung in allen Bevölkerungsschichten
so zu vertiefen und zu festigen, daß niemals mehr ein Zweifel an
ihrer unbedingten Richtigkeit eintreten kann." 91)
Auf die Frage, warum ausgerechnet er Bürgermeister geworden war, antwortete
er:
"Die politische Führung der NSDAP hat nun diese Frage entschieden.
Sie hält es für notwendig, daß ich der Bewegung als Mitkämpfer
erhalten bleibe ...
Ich weiß, viele Leute werden mit dem Kopf schütteln und es nicht
verstehen, daß ich einen Beruf aufgebe, bei dem ich mich wirtschaftlich
besser stand.
Aber sehen Sie, das sind Erwägungen, die für einen Nationalsozialisten
überhaupt nicht in Frage kommen.
Für uns spielen persönliche Wünsche und Bequemlichkeiten
keine Rolle.
Wir wollen nicht verdienen, sondern dienen und unsere ganze Kraft einsetzen
zum Wohle des Volkes. Und das ist auch mein `Programm´ als Bürgermeister."
92)
Die Umstände seiner Ernennung sind auch nach dieser Erklärung
mysteriös.
Freiwillig hatte er dieses Amt nicht übernommen, wie seinen Worten
"Die politische Führung der NSDAP hat nun diese Frage entschieden"
zu entnehmen ist.
Es brachte ihm sogar erhebliche finanzielle Einbußen, denn als Zahnarzt
verdiente er 1933 pro Monat ca.1000 RM 93), als kommissarischer Bürgermeister
nur 650 RM 94).
Die Praxis war stillgelegt 95), trotzdem mußten sie und das Haus
bezahlt werden.
Seine Frau hatte ihm schon vier Kinder geschenkt und wurde im Januar 1934
zum fünften Mal schwanger 96).
Einen Monat nach Dr.Hertings Ernennung wurde Landrat Meyer-Quade mit großen
Ehren - wie Fackelzug - öffentlich verabschiedet.
Es gab eine lange Liste von Parteigenossen, die seiner Abschiedsaudienz
beiwohnten, darunter sogar der Gauleiter Lohse.
Nur Bürgermeister Dr.Herting wurde mit keinem Sterbenswörtchen
erwähnt.
Was tat er statt dessen?
Er verteilte Wappenschilder an die Hitlerjugend, wie man der gleichen Zeitungsausgabe
entnehmen konnte 97).
Zeigte sich so sein stummer Protest gegen die Ernennung?
Er hatte schon Grund zum Grollen.
Seine Parteigenossen hatten sich durch ihre "Postenjägerei"
98) finanziell verbessern können, warum sollte ausgerechnet er sich
verschlechtern?
Aber erst mal mußte er seine Arbeit als kommissarischer Bürgermeister
verrichten und sich mit ganz profanen Problemen herumschlagen.
Am 28. November 1933 las man in den SN über seinen Appell an die Bürger,
"ihren Pflichten gegenüber der Stadt nachzukommen.
Seit April sitze die NSDAP in der Stadtverwaltung.
Leider herrsche ein katastrophaler Rückgang der Einnahmen.
Manche glauben keine Pachten, Gebühren für Wasser, Strom und
Gas sowie keine Steuern mehr bezahlen zu brauchen."
Das Problem muß wirklich dringend gewesen sein, denn zum Jahresende
wiederholte er diesen Aufruf noch einmal 99).
Am 22. Januar 1934 trat er von seinem Amt zurück.
Zur Begründung gab er an, daß das neue Gemeindeverfassungsgesetz,
das jetzt in Kraft getreten war, nur Verwaltungsfachleuten oder Volljuristen
erlaubte, dieses Amt zu bekleiden.
Sein Nachfolger wurde der Freiherr von Baselli.
Was hatte Dr.Herting in seiner Amtszeit erreicht?
Sein Resümee lautete:
"Damit beende ich eine nicht ganz 3 Monate dauernde Amtstätigkeit,
bei der wegen der Kürze der Zeit eine wirksame Entfaltung meiner Kräfte
naturgemäß nicht möglich war, zumal die ersten Wochen allein
dem Einarbeiten in die zum Teil völlig neue Materie gewidmet sein
mußten." 100)
Rückblickend betrachtet war das neue Gemeindeverfassungsgesetz vermutlich
nicht nur für seinen Rücktritt, sondern auch für seine Ernennung
zum kommissarischen Bürgermeister verantwortlich.
Dazu muß man sich die Situation der Gemeinden und Städte nach
der "Machtergreifung" Hitlers vergegenwärtigen.
Viele qualifizierte Bürgermeister waren aus dem Amt gejagt worden.
Nun bahnte sich ein neues Gesetz an, das dem betroffenen Personenkreis
bestimmt schon vor seiner Verabschiedung bekannt war.
Die Anforderungen für die Bürgermeister waren sogar gestiegen,
so daß eine Knappheit an geeigneten Kandidaten die Folge sein mußte.
In der Übergangszeit konnten somit einige Ämter eine Zeitlang
nur kommissarisch besetzt werden.
Eine von Dr.Hertings letzten Amtshandlungen war ein Geschenk an seinen
Vorgänger Dr.Behrens, der sich 1963 so dazu äußerte:
"Nach meiner Pensionierung, unterm 20. Januar 1934, wurde mir vom
kommissarischen Bürgermeister der Stadt Schleswig eine Bronzefigur
des Bildhauers Jensen (Sterbende Amazone) zugesandt.
Nach einem dabeifolgenden Schreiben sollte diese Figur ein Andenken an
meine 20jährige `erfolgreiche´ Arbeit in Schleswig sein."
101)
6. Schlei-Segel-Club (SSC) und Marine-SA
Am 23. Februar 1934, einen Monat nach Dr.Hertings Rücktritt, konnte
man in den SN lesen:
"Der Schlei-Segel-Club im Zeichen des Führerprinzips.
1. Vors. ... Menge ... teilte der Versammlung mit, daß der Vorstand
beschlossen habe, dem Klub die Einführung des Führerprinzips
vorzuschlagen und er aus diesem Grunde geschlossen seinen Rücktritt
erkläre.
Als künftigen Führer schlage der Vorstand Dr.Herting vor, der
dankenswerterweise zugesagt habe ...
Die Wahlhandlung ergab die einstimmige Wahl Dr.Hertings".
Er war wieder in seinem Element.
Er konnte sogar zwei Hobbies miteinander verbinden: das Segeln und die
Leitung einer Organisation.
Doch es blieb unklar, warum er dieses Amt im selben Jahr sang- und klanglos
wieder abgab.
Im Entnazifizierungsverfahren schrieb er:
"Infolge meines Rücktrittes vom politischen Leben war mein Ansehen
bei den Parteigenossen erheblich gesunken.
Ihr Dienst und ihre Dienstauffassung mißfielen mir aber auch je länger
desto mehr.
Das ganze Leben in Schleswig war mir verleidet.
Ich versuchte daher, in einen ganz neuen Lebenskreis hineinzukommen, und
bemühte mich, über den Deutschen Luftsportverband, in dem ich
Segelflugsport betrieb, in die neu entstandene Luftwaffe als Offizier oder
Sanitätsoffizier hineinzukommen." 102)
Was könnte wirklich passiert sein?
Er war kein Kreisleiter mehr und auch kein Bürgermeister.
Die einzige Autorität, die er besaß, war ihm von den Mitgliedern
des SSC verliehen worden.
Er war eine Soldatennatur, die führen oder besser: kommandieren wollte.
Die Segler vom SSC aber waren Individualisten und Zivilisten.
Sie wollten nur hinaussegeln und die Freiheit auf dem Wasser genießen.
Sein Sohn schreibt auch, daß "[Dr.Herting] es nur schwer oder
gar nicht ertrug, wenn sich seine Umgebung nicht seinem Willen fügen
mochte." 103)
Stoff für Konflikte war also vorhanden.
Zudem lag der Vorfall mit den Hakenkreuzen auf den Fahrwassertonnen erst
drei Jahre zurück, was seine Autorität bestimmt nicht gestärkt
hat.
So zog er sich nach Sylt und Hamburg zurück und betrieb dort von Februar
1935 bis September 1935 Segelflug.
1936 hatte er endlich das richtige Rezept gefunden:
Er baute in Schleswig die Marine-SA auf auf, welche vom Namen her schon
rein militärisch angelegt war.
Dort stieg er bis zum Obersturmführer auf 104).
7.1 Dr.Herting, der NS-Propagandist
Vergleicht man Dr.Hertings und Meyer-Quades Propaganda, so fällt
auf, daß sie eine Art Arbeitsteilung betrieben:
Meyer-Quades Forum war der Saal, Dr.Hertings Forum war die Zeitung und
der Saal;
Meyer-Quade agitierte im ganzen Kreis, Dr.Herting fast nur in Schleswig;
während die SN meist nur über Meyer-Quade berichteten 105), war
Dr.Herting von August 1930 bis Februar 1934 permanent als Schreibender
und Beschriebener in den SN präsent.
Vermutlich war er als Redner nicht besonders talentiert, denn die "Eiserne
Front" wünschte sich ausgerechnet ihn und nicht Meyer-Quade als
Redner auf einer gemeinsamen Veranstaltung von SPD und NSDAP 106).
Diese Veranstaltung ging auf eine Initiative von Meyer-Quade zurück,
die dann aber doch nicht zustande kam.
Den Bauern hatte Dr.Herting nichts zu sagen, sie fanden aber starke Zuwendung
durch Meyer-Quade 107).
Insbesondere sein Antisemitismus hob Dr.Herting sehr deutlich von allen
anderen NS-Protagonisten im Kreis Schleswig ab, worüber noch berichtet
wird.
Der große Erfolg der NSDAP im Kreis Schleswig wäre ohne Dr.Michel,
den Hauptschriftleiter der SN, nicht vorstellbar gewesen.
Dr.Herting beschrieb sein Verhältnis zu ihm 1937 so:
"Eine große Hilfe wurde uns 1931, als die `Schleswiger Nachrichten´
begannen sich für die Bewegung aktiv einzusetzen.
Seitdem konnte ich mich nach Herzenslust im Sprechsaal und in Eingesandtes
austoben und Pg. Michel hat mich nach Kräften unterstützt."
108) [Sprechsaal = Leserbriefecke einer Zeitung 109), Pg(g). = Parteigenosse(n)]
7.2 Dr.Hertings Militarismus
Ein wichtiger Schlüssel, um Dr.Hertings Denken zu verstehen, war
sein Verhältnis zum Militär, wofür ein Zitat aus dem Jahre
1919 eindrucksvoll Zeugnis ablegt: "
19.9.19. Mittags Abfahrt mit dem D.Zug nach Marburg.
10 h abends. Ankunft, beinahe verschlafen.Übernachtet im Bahnhofshotel.
Wie ich so durch das deutsche Land fuhr, kamen mir die Gedanken an die
Zeit, wo ich ungefähr dieselbe Richtung vom Urlaub zurück ins
Feld fuhr.
Wie schön war damals das allgemeine Pflichtgefühl.
Jeder hatte und tat seine Pflicht.
Jetzt gibt es keine mehr.
Wenn ich damals in diese Richtung fuhr, überwog allerdings der Gedanke:
So, nun geht es wieder hinein in den Kommißbetrieb, in Strapazen
und Gefahren.
Dazu kam aber auch wieder der Gedanke, die Kameraden freuen sich, wenn
du wieder da bist.
Dann hatte der Gedanke auch viel schönes, so ganz unabhängig
zu sein, selbst Löhnung, Kleidung, Essen zu bekommen mit der Pflichterfüllung
gegen das Vaterland.
D.h. damals dachte ich wohl kaum daran, aber jetzt kommen immer die Gedanken,
wie schön so ein richtiges wildes Kriegserleben doch war." 110)
Das war der Geist der Zeit.
Auch Meyer-Quade dachte ähnlich.
Am 8. März 1931 hielten z.B. 1000 SA-Männer aus dem ganzen Land
in Schleswig eine machtvolle paramilitärische Demonstration ab unter
dem Motto: "SA marschiert! Die Straße frei!" 111).
Das Hauptanliegen der Veranstalter war, wie Meyer-Quade ausführte,
"den Wehrgedanken ins Volk hineinzutragen" 112).
Bestätigt wird dies auch durch den ehemaligen Vorsitzenden des Schleswiger
SPD-Ortsvereins (bis 1933) und kommissarischen Bürgermeister von Schleswig
(1945), Hermann Clausen:
"Jede politische Richtung hatte ihre uniformierte Truppe ...
Solche halbmilitärischen politischen Organisationen hätte die
Regierung nicht zulassen sollen." 113)
Dazu zählte Clausen:
[Sozial-] Demokraten: Reichsbanner bzw. Eiserne Front
Deutschnationale : Stahlhelm
Kommunisten : Rot[er] Front[kämpferbund]
Nationalsozialisten : SA
Über die Schleswiger Nationalsozialisten des Jahres 1933 schrieb Clausen
weiter:
"Die neuen "Machthaber" waren ja auch nicht gerade Typen
des gutsituierten Bürgertums 114), es waren "Soldaten" Hitlers,
die in den letzten Wochen auch als Herren auftraten." 115)
7.3 Dr.Hertings "Nationalsozialistische Gedanken"
Von September 1931 bis Februar 1933 veröffentlichte Dr.Herting
in den SN 18 namentlich unterzeichnete, zum Teil sehr lange Artikel, deren
Höhepunkte zweifellos seine "Nationalsozialistischen Gedanken
Teil I bis VII" (23.3.1932 bis 7.4.1932) waren, die die SN als "beachtenswerte
aufklärende Ausführungen" bezeichneten 116).
Die thematische Gliederung sieht so aus:
1. Teil: Rassenpolitik und Antisemitismus
2. Teil: Zwangssterilisation
3. Teil: Antisemitismus und die Abrechnung mit Kunst und Literatur; hierbei
hat ihm vermutlich Dr.Michel die Feder geführt, denn Dr.Herting unterschrieb
diesen Aufsatz so: "Anm.: Einzelne literaturkritische Stellen sind
dem Vortrage eines andern Pg. entnommen."
4. Teil: Frau und Familie
5. Teil: N.S.D.A.P. und Glaubensbekenntnisse
7. Teil: Ist Hitler beamtenfeindlich?
Im 6. Teil und allen sonstigen Aufsätzen widmete sich Dr.Herting der
"großen Politik".
Nachfolgend einige Auszüge aus Dr.Hertings antisemitischen "Nationalsozialisten
Gedanken":
SN 23. März 1932:
"Unter Rasse verstehen wir einen größeren Kreis von Lebewesen,
die gewisse gleiche körperliche und seelische Anlagen besitzen.
Ist das denn nun so etwas Wichtiges?
Jedem leuchtet es ein, daß die Paarung eines Jagdhundes mit etwa
einem Mops Bastarde erzeugen würde, die für keinerlei nützliche
Zwecke zu gebrauchen sind.
Das kann niemals ein Höchstleistungstier in irgend einem Sinn ergeben.
Es gibt daher große Vereine, die sich die Züchtung aller möglichen
Tierrassen zur ernsten Aufgabe gestellt haben (Kaninchen,Rinder, Pferde,
Geflügel usw.).
Der Besitzer eines `reinrassigen´Hundes ist stolz darauf, aber er
wird andererseits wenig Bedenken tragen, seine Tochter einem andersrassigen
zur Frau zu geben.
Im Gegenteil, wenn er genug Geld hat, mit Freuden, dann ist sie ja `versorgt!´
Das deutsche Volk ist keine einheitliche Rasse, aber es ist noch zum größten
Teil arischen Ursprungs.
Jeder Arier hat bestimmte körperliche und vor allem seelische Eigenschaften,
die ihn vor anderen Rassen, dem Neger, Mongolen, Juden usw. auszeichnen.
U.a. sind dem Arier blutsmäßig eigen:
Mut, Ehrlichkeit, Liebe zur Scholle, Arbeitslust um der Arbeit selbst willen
(Idealismus), andererseits aber auch Eigensinn bis zur Streitsucht usw.
Der Jude weist dagegen mehr Verschlagenheit auf, Händlergeist, Gewinnsucht,
Liebe zu beweglichen Gütern, Materialismus.
Jeder wird eine Ehe mit einem Neger, mag er auch in Deutschland geboren
sein, als unmöglich ansehen.
Jeder Gesunde wird auch instinktiv den Juden, ohne Rücksicht auf die
Religion, als Ehepartner ablehnen.
Näheres darüber auszuführen, würde zu weit gehen.
Aber es ist erwiesen, daß die Kinder solcher Mischehen die ungünstigen
seelischen Eigenschaften beider Eltern erben, innerlich also zerrissen
ein trauriges Los (vom deutschen Standpunkt aus gesehen) erben. ...
Die Juden wären uns genauso gleichgültig wie etwa die Chinesen,
die Papuas und andere Rassen, wenn sie sich nur genau so verhielten wie
diese.
Bitte stellen Sie sich vor, in Deutschland wären 1-2 Millionen Chinesen,
und es gelänge ihnen durch Geschäftssinn, Zudringlichkeit usw.,
die Presse, die Kunst, das Geldwesen und maßgebenden Einfluß
auf die Regierung zu gewinnen, auf Kosten und zum Schaden des deutschen
Volkes!
In diesem Fall wären wir `antichinesisch´, weil wir eben unser
Volk lieben und es fördern wollen.
Das ist doch selbstverständlich, nicht wahr?
Also lassen wir den Begriff `antisemitisch´ beiseite und fassen ihn
positiv: `nur deutsch´!
Bleiben die Anderrassigen auch so und beanspruchen sie nicht die Vorherrschaft,
dann krümmen wir ihnen kein Härchen.
Aber das tun sie nicht, das liegt ihnen eben im Blute."
Dr.Herting war vermutlich nicht ganz wohl, als er am 2. April 1932 dem
dritten Teil seiner "Nationalsozialistischen Gedanken" diesen
Satz vorwegschickte:
"Ein chirurgischer Eingriff ist eine unerfreuliche Sache, aber nicht
immer vermeidbar und dann u.U. lebensrettend.
Die folgenden Ausführungen sind auch teilweise weise recht häßlichen
Inhalts, die daraus zu ziehenden Schlüsse sind aber dringend nötig
und heilsam. ...
So schreiben jüdische Schriftsteller über die Gesinnung ihrer
Volksgenossen den arischen Frauen und Mädchen gegenüber!
Schrieb doch auch der Heidelberger Jude Paul Mayer in seinem Gedicht
`Ahasvers fröhlich Wanderlied:
meiner Seele glatte Häute bergen,
was ich bettelnd büßte,
Doch es türmt sich meine Beute,
Und es jauchzen eure Bräute,
Mir, dem Auswurf fremder Wüste!`´
Und hat nicht kürzlich eine Jüdin über den heimgegangenen
jüdischen Schriftsteller Jacobowski ebenso geschrieben, daß
ihm die liebste Rache gewesen wäre, wenn er die feinen Frauen der
blonden Edelinge unter seine Füße treten konnte?
Das, liebe Volksgenossen, ist die jüdische Fratze.
Wenn wir an die Macht kommen, ist es Feierabend damit.
Und das weiß der Jude ...
Dies alles mußte einmal gesagt werden, um dem ahnungslosen Deutschen
zu zeigen, womit man die Moral des Volkes und besonders der Jugend verdirbt,
sie unzugänglich macht für hohe Ideale, unfähig macht zu
Vaterlandsliebe, Wehrgeist, Opfersinn und Volksgemeinschaft.
Und von diesen Leuten, die solche Literatur und Afterkunst verzapfen und
darnach handeln, muß sich ein Hindenburg wählen lassen und ahnt
nichts davon!
Wüßte er das, dann würde er dankend und schaudernd verzichten;
das ist unsere Ueberzeugung.
Im nationalsozialistischen Staat haben solche Menschen (die Juden sind
doch auch Menschen, nicht wahr? Haben wir übrigens nie bestritten!)
kein Staatsbürgerrecht, aber auch nicht Leute wie der S.P.D.=Führer
Crispien, der öffentlich erklärte, er kenne kein Vaterland, das
Deutschland heißt."
7.4 Statistik des Antisemitismus in Schleswig 1930-1933
Gab es noch mehr antisemitische Protagonisten in Schleswig? Um diese Frage
zu beantworten, wurde untersucht, wie viele antisemitische Anzeigen, Artikel
oder Referate im Zeitraum von Dr.Hertings Eintritt in die NSDAP bis zwei
Tage vor dem Boykott jüdischer Geschäfte (1.4.1933) aus dem Bereich
der Stadt Schleswig veröffentlicht wurden und wer als Autor zeichnete:
Ein Referat von Dr.Straub 117); vier auswärtige Referenten, alle begrüßt
von Dr.Herting 118);
zwei Reden von Meyer-Quade 119);
eine Anzeige der NSDAP-Ortsgruppe Schleswig, Leiter war Dr.Herting 120);
zwei Reden und neun schriftliche Beiträge von Dr.Herting 121);
das Parteiprogramm der NSDAP, vermutlich von Dr.Herting zum Abdruck veranlaßt
122).
Da er alle auswärtigen Referenten begrüßte, liegt der Schluß
nahe, daß er sie auch eingeladen hat.
Somit ist erwiesen, daß Dr.Herting die treibende antisemitische Kraft
in Schleswig war.
Anläßlich der Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte
am 1.4.1933 hatte sich aber kein Schleswiger Nationalsozialist persönlich
profiliert, auch nicht Dr.Herting 123).
7.5 Die jüdische Familie Weinberg
Wie Erich Koch herausfand 124), ließ es Dr.Herting nicht nur
bei verbalen Attacken gegen jüdische Mitbürger bewenden.
Als kommissarischer Bürgermeister betrieb er 1933/34 einen regelrechten
Kreuzzug gegen die Schleswiger Familie Weinberg.
Dabei zeigte er einen solchen Zynismus, daß ihm selbst altgediente
NS-Parteigenossen wie der Beigeordnete Blum und der Ortsgruppenleiter Steen
nicht so recht folgen mochten.
Für diese Familie erwirkte Dr.Herting eine Ausbürgerung, die
in "vorauseilender Manier" sogar über die Ungerechtigkeiten
der Rassegesetze vom 15. September 1935 hinausging, denn diese Ausbürgerung
wurde vom preußischen Innenminister am 17. September 1935 wieder
rückgängig gemacht.
Da Dr.Hertings Handlungsweise durch kein Gesetz legitimiert gewesen war,
hat er auch hier den Tatbestand "politischer Verfolgung" erfüllt.
7.6 "Bestes Menschenmaterial"
Einen tiefen Einblick in Dr.Hertings Menschenbild konnte man am 25.
Januar 1936 nehmen, als er auf einem Elternabend an der Lornsenschule über
sein Konzept der Schulzahnuntersuchungen referierte.
Über seine Ausführungen berichteten die SN so:
"Mit der Einführung der Wehrfreiheit und der damit verbundenen
Aushebungen von jungen Rekruten hat sich ergeben, daß ein großer
Prozentsatz besten Menschenmaterials wegen mangelhafter Gebißverhältnisse
zurückgestellt wurde oder für den Militärdienst überhaupt
nicht zu gebrauchen ist und daher ganz abzuweisen war."
Dr.Hertings Einsatz für die Gesundheit des "besten Menschenmaterials"
125) zeigte menschenverachtende Züge, die sich auch in seinem Kampf
gegen den "jüdisch-materialistischen Geist in und außer
uns" 126) offenbarten.
Folgt man seiner Logik, dann war der Arier nur dann "bestes Menschenmaterial",
wenn er nicht "materialistisch", sondern "idealistisch"
dachte und handelte.
7.7 Kein Recht auf Existenz für Nichtdeutschblütige
Am 24. März 1932 schrieb Dr.Herting in den SN:
"Nach nationalsozialistischer Auffassung darf in Deutschland nur
der deutschblütige politischen Einfluß haben, Recht auf Existenz,
Recht und Pflicht zur Fortpflanzung haben."
Bei der Analyse dieses Satzes erheben sich Fragen:
Was soll eigentlich mit den Nichtdeutschblütigen geschehen, die nicht
die Möglichkeit haben, Deutschland zu verlassen?
Sie haben kein Recht auf Existenz.
Was gehört zur Existenz? Insbesondere das Leben.
Dr.Hertings Satz beinhaltet also eine Todesdrohung.
War ihm diese Drohung bewußt?
Der Verfasser glaubt das nicht, fiel dieser Satz doch in einem Aufsatz
über Zwangssterilisation.
Mindestens 15 Schleswiger Bürger mit einer jüdischer Abstammung
wurden in den Vernichtungslagern des NS-Regimes ermordet oder gelten an
den Deportationsorten als verschollen 127).
Dr.Hertings Drohung wurde also tatsächlich verwirklicht.
Faßt man die Ergebnisse der letzten fünf Kapitel zusammen, so
ist erwiesen, daß Dr.Herting - ob bewußt oder unbewußt
- ein früher Wegbereiter des Völkermordes an seinen Mitbürgern
mosaischen Glaubens war.
7.8 Die Wähler
Es stellt sich die Frage, warum Dr.Herting trotz seiner vielen antijüdischen
Ausfälle parlamentarische Mehrheiten erringen konnte.
Dietrich Herting versucht in seinem Aufsatz vergeblich den Eindruck zu
erwecken, daß sein Vater nicht antisemitisch eingestellt war.
Hierbei stützt er sich insbesondere auf das Zitat "dreckiger
Jude" in einem Brief seines Vaters aus dem Jahre 1921 128).
Abgesehen davon, daß diese Quelle nicht öffentlich nachprüfbar
ist, nährt sie im Gegenteil gerade den Verdacht, daß Dr.Herting
1921 schon ein Antisemit war.
Mit großer Wahrscheinlichkeit war er nicht trotz, sondern gerade
wegen seines Antisemitismus politisch erfolgreich, denn "seit Beginn
des neunzehnten Jahrhunderts war der Antisemitismus in Deutschland allgegenwärtig
und gehörte zum allgemeinen Wertekanon." 129)
Eine Erhebung der amerikanischen Besatzungsbehörden im Jahre 1946
ergab, daß "61 Prozent der Deutschen Ansichten zum Ausdruck
brachten, die sie als Rassisten oder Antisemiten qualifizierten ...
Vier von zehn Deutschen sind derart vom Antisemitismus durchdrungen, daß
es zweifelhaft ist, ob sie gegen Juden gerichtete Handlungen ablehnen würden,
auch wenn sich nicht alle von ihnen an solchen Handlungen beteiligen würden."
130)
7.9 Das Sterilisationsgesetz
Das Sterilisationsgesetz trat am 1. Januar 1934 in Kraft und betraf
1.200 Schleswiger 131), von denen die meisten in der Landes-Heil- und -Pflegeanstalt
lebten.
Dr.Herting hatte diesem Thema in den SN einen großen Aufsatz gewidmet:
"Nach nationalsozialistischer Auffassung darf in Deutschland nur der
deutschblütige politischen Einfluß haben, Recht auf Existenz,
Recht und Pflicht zur Fortpflanzung haben.
Letzteres mit Ausnahme der Minderwertigen.
Minderwertig im rassischen Sinne sind notorische Verbrecher, Alkoholiker,
gewisse Geschlechtskranke, Geisteskranke, Idioten, Blindgeborene, Taubgeborene
u.a. Träger vererbbarer Krankheiten ...
Der Nationalsozialismus hat bereits weitgehende Forschungsarbeit geleistet,
um diese Ausschaltung auf die humanste Weise zu bewerkstelligen, die u.a.
durch einen ungefährlichen, schmerzlosen Eingriff geschehen kann."
Eine von Dr.Hertings Begründungen dafür lautete:
"Und wird ein Einbrecher, ein Sittlichkeitsverbrecher usw. nach ein
paar Jahren `Z geheilt´ entlassen, dann kann er seinen Neigungen
wieder leben.
Meist tobt er erst mal seinen Geschlechtstrieb aus, setzt so und so viele
erblich belastete Kinder in die Welt.
Ein Kreislauf ohne Ende.
Es ist bekannt, daß die sog. Minderwertigen einen ungehemmten Geschlechtstrieb
haben.
Aus 40 Ehen Schwachsinniger gingen 220 Schwachsinnige und nur 2 anscheinend
normale Kinder hervor." 132)
Interessant wäre die Beantwortung der Frage, ob Dr.Herting zwischen
1973 und 1981 mit seiner Arbeit an den behinderten Kindern im "Hesterberg"
vielleicht irgendetwas "gutmachen" wollte.
8.1 Die Entnazifizierung
Dr.Hertings Entnazifizierungsverfahren kam nur schleppend in Gang,
so daß am 13. September 1947 Klagen laut wurden wie: ".. daß
die Bevölkerung Schleswigs es nicht verstehen kann, daß Dr.Herting
noch immer in seiner Stellung ist, mit einer derartigen Belastung ... 133)
Als erste Maßnahme der Militärregierung erhielt Dr.Herting Berufsverbot,
sein Vermögen wurde gesperrt, und er verlor das passive Wahlrecht.
Am 21. Mai 1947 entschied der Entnazifizierungsausschuß:
- Einstufung in Kategorie III [Minderbelasteter]
- Verfahrensgebühr 1000 RM
- Beitrag zum Wiederaufbaufond in Höhe von 10.000 RM
Die Begründung lautete:
"Dr.H. trat 1929 der NSDAP bei und war komm. Kreisleiter.
Außerdem war Dr.H. in der SA Obersturmführer, im NSFK Segelflug-Sturmführer,
in der DAF Kreisfachschaftsleiter."
[NSFK = Nationalsozialistisches Fliegerkorps, DAF = Deutsche Arbeitsfront]
Am 28. November 1948 wurde Dr.Herting wegen seiner günstigen Leumundszeugnisse
in die Kategorie 4 (Mitläufer) abgestuft.
Dazu ist zum einen zu sagen, daß in Schleswig-Holstein damals niemand
in die höheren Kategorien 1 (Hauptschuldiger) und 2 (Belasteter) eingestuft
wurde 134), zum anderen ist festzustellen, daß die 11.000 Reichsmark,
die Dr.Herting zu zahlen hatte, seinem durchschnittlichem Jahreseinkommen
der Jahre 1931-1945 entsprach. Er hatte also eine durchaus schmerzhafte
Strafe erhalten.
8.2 Bewertung von Dr.Hertings Aussagen im Entnazifizierungsverfahren
Ein interessanter Punkt im Entnazifizierungsverfahren ist natürlich
die Frage, wie glaubwürdig seine Einlassungen waren.
Stimmen seine Aussagen mit den tatsächlichen Geschehnissen überein?
Die Aufforderung Nr. 118 darin lautete:
"Geben Sie auf einem Extrabogen die Titel und Verleger aller von Ihnen
seit 1923 bis zur Gegenwart ganz oder teilweise geschriebenen, zusammengestellten
oder herausgegebenen Veröffentlichungen und alle von Ihnen gehaltenen
öffentlichen Ansprachen und Vorlesungen, mit Angabe des Themas, Datums,
der Auflage oder Zuhörerschaft an.
Falls Sie im Auftrage einer Organisation schrieben oder sprachen, geben
Sie deren Namen an. Falls keine Reden, Ansprachen oder Veröffentlichungen,
setzen Sie das Wort `keine´ein."
Dr.Hertings Antwort in der Anlage 10 darauf lautete:
"Etwa im Jahre 1932 anläßlich der Wahlen habe ich mehrfach
in den Schleswiger Nachrichten`´ unter dem Titel `Briefe aus dem
Leserkreise´ oder ähnlich das Programm der NSDAP erläutert
als Antwort auf ähnliche `Eingesandtes`´ anderer Parteien.
Sonst habe ich nur Aufsätze rein wissenschaftlichen Inhalts in der
zahnärztlichen Fachpresse veröffentlicht
(Zahnärztliche Rundschau_) wobei ich Datum und Titel nicht mehr angeben
kann.
Reden:
Soweit erinnerlich habe ich ein einziges Mal in Hüsby oder Arenholz
öffentlich vor etwa 15 Personen wegen Ausfalls des richtigen Redners
eine Wahlansprache gehalten von höchstens 20 Minuten Dauer, da ich
über nicht konkrete Fragen überhaupt nicht sprechen kann im Gegensatz
zu fachlichen Themen.
Sodann habe ich als Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Begrüßungsworte
bei Versammlungen und Veranstaltungen gesprochen und einmal kurz über
städtische Angelegenheiten.
Nichtpolitische Vorträge habe ich mehrfach vor der Frauenschaft und
dem Hilfswerk Mutter und Kind gehalten über das Thema: Was muß
die deutsche Frau und Mutter über Zähne wissen? in Verbindung
mit Ernährungsfragen
wie Vollkornbrot usw."
Dr.Hertings Antworten waren fast alle richtig, bis auf eine:
"Reden: Soweit erinnerlich habe ich ein einziges Mal in Hüsby
oder Arenholz öffentlich vor etwa 15 Personen wegen Ausfalls des richtigen
Redners eine Wahlansprache gehalten von höchstens 20 Minuten Dauer."
Hier hatte er sich sehr exakt festgelegt.
In den SN konnte aber am 12. Dezember 1931 folgender Bericht gefunden werden:
"Vom NSBO und Kampfbund e. n. S. Schleswig wird uns geschrieben:
Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation und Kampfbund erwerbsloser
nationaler Sozialisten Schleswigs hielten im Hohenzollern eine gemeinsame
Mitgliederversammlung mit Gästen ab.
Über 150 Personen hatten sich eingefunden.
Dr.Herting, Ortsgruppenleiter der NSDAP Schleswig hielt einen fast zweistündigen
Vortrag über die Ziele der NSDAP mit Lichtbildern.
In schlichter, allgemein verständlicher Weise verstand Redner es,
bis zum Schluß die Zuhörer zu fesseln."
Um eine Aussage unglaubwürdig erscheinen zu lassen, genügt grundsätzlich
ein einziges Gegenbeispiel, welches hiermit erbracht wurde.
Doch konnte der Verfasser darüber hinaus noch 14 weitere politische
Reden von Dr.Herting finden 135).
Er hatte zwar "Soweit erinnerlich ..." geschrieben, aber vergeßlich
war er bestimmt nicht, sonst hätte er sich nicht an seinem 90. Geburtstag
für das "Gnadengeschenk der geistigen Frische" bedankt 136).
Dr.Herting hatte, wie oben berichtet, nicht nur die "marxistischen
Hetzer", sondern auch die Familie Weinberg politisch verfolgt.
Somit war auch seine Aussage im Entnazifizierungsverfahren falsch, die
da lautete:
"Ich habe nie einen Menschen aus politischer Überzeugung verfolgt
oder zur Anzeige gebracht, sodass er von einem ordentlichen oder Parteigericht
bestraft worden ist ...
Diese meine Aussage mache ich freiwillig und ohne jeden Zwang, und bin
bereit, sie auf meinen Eid zu nehmen." 137)
Warum macht der Verfasser diese penible Analyse?
Er muß doch wissen, daß man Falschaussagen im Entnazifizierungsverfahren
nicht überbewerten soll, denn zum einen wurden sie nicht unter Eid
gemacht, und zum anderen kann man es Dr.Herting nicht verübeln, wenn
er versuchte, sich von seiner guten Seite zu zeigen.
Der Grund für die genaue Bewertung von Dr.Hertings Einlassungen liegt
in der Arbeit seines Sohnes Dietrich, der zwar viele Behauptungen seines
Vaters aus der Entnazifizierungsakte präsentiert, dafür aber
keine Beweise vorlegt.
Um diesen Mangel zu kompensieren, stellt er seinen Vater auf ein hohes
Podest, indem er ihn zu einer "Autorität sui generis" erklärt.
Diese Autorität stattet er dazu noch mit papstähnlichen Unfehlbarkeitsmerkmalen
aus:
"Seinen Kindern, insbesondere seinen Söhnen hat [Dr.Herting]
vermittelt, daß eines Mannes Wort unverbrüchlich gilt."
und "Andersen hatte sich ... an ... Dr.Herting ... gewandt, der ...
den Ruf hatte, sich immer für Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen."
138)
Wie bewiesen, hatte er mitnichten immer die Wahrheit gesagt.
Damit bricht Dietrich Hertings Legende über seinen Vater weitgehend
zusammen.
Es gab auch eine Behauptung von Dr.Herting, für die weder positive
noch negative Bestätigungen vorliegen.
Dafür hat der Verfasser eine "Wahrscheinlichkeitsrechnung"
aufgestellt:
Dr.Herting behauptete im Entnazifizierungsverfahren 139), daß er
wegen Judenerschießungen, die er nur vom Hörensagen kannte,
Protestbriefe von der Front an den Kreisleiter Dr.Georg Carstensen geschickt
und deswegen mit seinem Austritt aus der NSDAP gedroht habe.
Für diese Behauptung gibt es keinen Beweis, aber wie groß war
denn die Wahrscheinlichkeit, daß er es getan haben könnte?
Jeder Deutsche und gerade Dr.Herting wußte, daß die Feldpost
kontrolliert wurde 140), wäre er doch im 1. Weltkrieg beinahe vor
ein Kriegsgericht gekommen, weil er eine Postkarte mit kyrillischen Buchstaben
an einen Freund geschickt hatte 141).
Außerdem war Dr.Carstensen ein sehr unangenehmer Zeitgenosse, was
die vielen Anschuldigungen gegen ihn nach dem Kriege beweisen 142).
Dr.Herting mußte also damit rechnen, daß seine Briefe auf den
Schreibtischen der Gestapo und er selbst im KZ landen würden.
Er hätte also sein Leben für nichts eingesetzt, wenn er diese
Briefe tatsächlich abgeschickt hätte.
Offensichtlich gehören sie in den Bereich der Fiktion.
8.3 Die Leumundszeugnisse
Dr.Herting legte im Entnazifizierungsverfahren 143) vier positive Leumundszeugnisse
vor.
Das erste stammt von dem Betriebsingenieur der Schleswiger Stadtwerke,
Jörgen Andersen, einem SPD-Funktionär, ausgestellt am 8. Juni
1946.
Andersen war wegen verleumderischer Vorwürfe einiger SS- und SA-Männer
entlassen worden und brauchte nun eine offizielle Bekanntgabe der Vorwürfe,
um gerichtlich dagegen vorgehen zu können.
Dr.Herting war laut Andersen der einzige, der ihn dabei unterstützte
und der sogar den "SA-Sturmbannführer Rammke mehrmals wegen seiner
unverschämten aggressiven Haltung gegen mich verwahren" mußte
144).
Das zweite Leumundszeugnis vom 9. Juni 1946 hat der Stadtinspektor Willy
Clasen geschrieben, der Mitglied des Unterausschusses des Deutschen Entnazifizierungsausschusses
in Schleswig war.
Clasen sollte 1933 als Zweigstellenleiter der Stadtsparkasse Schleswig-Friedrichsberg
entlassen werden, was er durch eine Fürsprache Dr.Hertings abwenden
konnte.
Clasen schrieb auch, daß der Beigeordnete Blum für eine Abberufung
Dr.Hertings als Bürgermeister gesorgt haben soll.
Das dritte Leumundszeugnis vom 11. Juni 1946 ist ausgestellt worden von
dem Direktor der Stadtwerke, E.Peter, der Dr.Herting als Idealisten lobt.
Das letzte stammt von Kurt Appold mit Datum von 25. Juli 1947, einem Pastor
der "Bekennenden Kirche", den Dr.Herting in der Kriegsgefangenschaft
kennengelernt hatte und der sich sehr lobend über ihn aussprach.
Seinen Worten kann man entnehmen, daß ihm Dr.Herting aber nichts
über seine "Kampfzeit" erzählt hatte.
Dr.Herting schrieb im Entnazifizierungsverfahren 145):
"Einerseits wollte ich nicht als Postenjäger gelten, andererseits
kamen mir schon damals wegen der radikalen Durchführung nat.-soz.
Probleme, insbesondere bei der Behandlung politischer Gegner, Bedenken,
die mich entweder mit meinem Gewissen oder mit der Auffassung anderer Pg.
in Konflikt brachten."
Abgesehen davon, daß auch Dr.Herting für die "Behandlung
politischer Gegner" Verantwortung trug, wäre es interessant zu
wissen, wie die "Auffassung anderer Pg." war.
Nach gründlicher Abwägung aller Für und Wider neigt der
Verfasser der Ansicht zu, daß sich der "Konflikt" wohl
primär an der Frage entzündete, wer in Zukunft weiter bekämpft
werden sollte:
die Juden, wie z.B. die Familie Weinberg 146), wie von Dr.Herting gewünscht,
oder die ehemaligen politischen Gegner, deren "Posten" man übernehmen
wollte, wie von seinen Parteigenossen verlangt 147).
Dr.Herting wurde später in die Kategorie 4 (Mitläufer) abgestuft,
was aber nicht als inhaltliche Korrektur des Entnazifizierungsverfahrens
verstanden werden darf, sondern als eine übliche Belohnung für
eine "gute Führung".
Dies ermöglichte ihm, ab 1949 wieder seinem Beruf nachzugehen.
9. Mit dem Röhm-Putsch war alles vorbei?
Dietrich Herting nimmt nicht nur des Vaters "Wort", sondern
auch das seiner Mutter kritiklos auf und verkündet es so den Lesern
der Schleswiger Stadtgeschichte 148):
"Der Autor zitiert aus einem Gespräch mit seiner Mutter aus den
50er Jahren, als er begann, sich für die Rolle seines Vaters in jener
Zeit zu interessieren, aber auch an deren, rein familiären Dingen
nachzuspüren.
Seine Mutter sagte ihm auf seine entsprechende Frage, was der Autor noch
heute als ihren Originalton im Ohr hat, weil ihm diese Antwort sehr viele
Türen zum Verstehen auch mancher von seinem Vater nicht zu Ende geführten
Diskussion mit diesem öffnete:
`Die Kampfzeit war im Grunde unsere schönste Zeit.
1934 gingen Vater und mir die Augen auf.
Mit dem Röhm-Putsch war alles vorbei!´"
Dagegen sprechen drei handfeste Beweise:
Dr.Herting veröffentlichte 1936 folgendes Grußwort in den SN:
"Wozu Nordmarktreffen?
Wir wollen zeigen, daß wir da sind, was wir können!
Wollen wir uns messen mit Kameraden in friedlichem Kampf.
Wer was kann, will seine Kraft, sein Wissen erproben.
Nur der Wettstreit gibt neuen Kraftstrom, zeigt, wohin die Arbeit des neuen
Ausbildungsabschnittes gerichtet sein soll.
Nicht weichliches Genieß ven bierseliger Gemütlichkeit ist unsere
Sehnsucht, nicht nörgelndes Beiseitestehen, nicht spießiges
Geschehenlassen unsere Art.
Unser Leben ist Sport, männerhärtender Sport, unsere Gemeinschaft
wird geschweißt im Zusammenreißen von Körper und Geist
straffer SA-Kolonnen.
Das gemeinsame Erleben des SA-Treffens zeigt unsere Macht und stählt
unseren opferbereiten Willen:
einer für den anderen einzustehen, mitzumachen, mitzukämpfen,
einig im SA-Geist, einig im Willen, das eine Ziel in einmütiger Kameradschaft
zu erkämpfen, das Ziel: des Führers treue Gefolgschaft zu sein,
seine nationalsozialistische Kampftruppe.
Nicht für uns selber! Alles für Deutschland! Und deswegen: Nordmarktreffen!
Herting, Truppführer, Führer des Marinesturms 10 / 44 m. d. F.
b." 149)
Dieses Grußwort war beileibe kein Einzelfall, denn 1937 fand ein
groß aufgemachter Kameradschaftsabend der NSDAP statt, auf dem Dr.Herting
stolz über die "Kampfzeit" referierte 150).
Der Verfasser gibt Dietrich Herting 151) überhaupt nicht recht, wenn
dieser "das Scheitern seines Vaters in seinem partei- und kommunalpolitischen
Engagement unter der NSDAP als zwangsläufig vorbestimmt" beschreibt.
Im Gegenteil, Dr.Herting war sogar sehr erfolgreich.
Er war ein "politischer Soldat" 152), der "seinen Krieg"
gegen Juden, politische Gegner und "Minderwertige" haushoch gewonnen
hatte.
Die "Kampfzeit" war vorüber.
Er kümmerte sich wieder um seinen Beruf und seine Familie und trainierte
seinen Körper, damit er fit war, wenn das Vaterland ihn rufen sollte,
was dann auch bald wieder der Fall war.
Die Beweislage gegen Frau Gertrud Hertings Aussage ist sogar erdrückend,
wie eine Anfrage beim Bundesarchiv ergab:
Am 1. Juni 1930, zwei Monate nach Dr.Hertings Aufstieg zum Ortsgruppenleiter,
war auch Gertrud Herting Parteigenossin 153) unter der Nummer 261.511 geworden.
Sie unterstützte ihren Mann in seiner Parteitätigkeit:
"[Ich habe mich] ... für die Ziele der Partei ... eingesetzt
... , indem ich selbst von Mund zu Mund warb und Flugblätter verteilte,
ferner indem ich Redner und andere Pgg. unterbrachte und beköstigte
- manche sogar wochenlang".
Im Juli 1932 trat sie jedoch mit folgender Begründung aus:
"In den damaligen Wahlkämpfen benutzten die Gegner die widernatürliche
Veranlagung des damaligen Stabschefs Röhm in den bekannten Schriften
als Wahlpropaganda.
Es erfolgte weder eine klare gerichtliche Verfolgung dieser unerhörten
Anschuldigungen noch ein freiwilliger oder erzwungener Rücktritt Röhms.
Mein ganzes Empfinden als Frau und Mutter sträubte sich aber dagegen.
" Viereinhalb Monate nach der Ermordung Röhms stellte sie einen
Antrag auf Wiederaufnahme in die Partei, der aber wegen einer allgemeinen
Aufnahmesperre abgelehnt wurde.
Am 12. März 1937 richtete sie sogar ein persönliches
"Gnadengesuch ... An unsern Führer Adolf Hitler in Berlin ...
Mein Führer ... Mein sehnlichster Wunsch ist, wieder der Partei anzugehören
... Ich bitte Sie daher, mein Führer, herzlich, mich wieder in die
Partei aufzunehmen."
Als Begründung für ihr Gesuch führte sie aus:
"Und schließlich darf ich noch hinzufügen, daß ich
nach der Machtübernahme nochmals 3 Kindern das Leben gab, auch hierin
der Auffassung meines Mannes folgend, daß alte Kämpfer für
den Nationalsozialismus in jeder Beziehung Vorbild und Beispiel geben sollten.
Heil! Mein Führer! Frau Gertrud Herting" 154)
Diese Einstellung wurde eindrucksvoll durch eine Geburtsanzeige in den
SN bestätigt:
"Das deutsche Volk wird nur dann vor dem völkischen Niedergang
bewahrt, wenn die gesunde Familie mindestens 4 Kinder aufzieht. Wir zeigen
die glückliche Geburt unseres 6. Kindes, eines kräftigen Jungen,
an.
Dr.A.Herting und Frau Gertrud, geb. Kaintoch, Schleswig, den 18.2.1936."
Da ihr Gnadengesuch abschlägig beschieden wurde, wiederholte sie es
noch zweimal (1937 und 1939).
Am 13. September 1939 schrieb das Mitgliedsamt in München dem Gauschatzamt
Schleswig-Holstein:
"... dass bei der bevorstehenden Kontingentierung eine Wiederaufnahme
möglich ist.
Ich bitte deshalb bezüglich einer Wiederaufnahme der genannten unter
Berücksichtigung der Anordnung 34/39 von dort aus das weitere zu veranlassen
und der ehemaligen Parteigenossin Gertrud Herting entsprechenden Bescheid
zu erteilen."
Ob die Katholikin Gertrud Herting letztendlich wieder in den "Schoß
der Mutter Partei" zurückkehren durfte, ist der Aktenlage leider
nicht zu entnehmen 155).
Somit ist erwiesen, daß auch Gertrud Hertings Zitat Teil der "Legendenbildung"
der Familie Herting ist.
10. Ergebnis
Als Erwachsener spielte Dr.Adolph Herting fünf Rollen:
Er war Antisemit, Nationalist, Paterfamilias 156), (politischer) Soldat
157) und Zahnarzt.
Sein Antisemitismus ließ ihn sogar zu einem frühen Wegbereiter
des Holocaust werden.
Hat er sein Eintreten für den Nationalsozialismus bereut?
In der Anlage 12 der Entnazifizierungsakte schrieb er:
"Am 11.5.45. gefangen, erfuhr ich aus französ. Mund von den Greueln
in den Konzentrationslagern.
Ich war starr vor Entsetzen. Nie habe ich so etwas geahnt. Das schwöre
ich bei dem Leben meiner Kinder.
Der Ekel würgt mich, wenn ich bedenke, da ich fast 10 Jahre des Friedens
im Glauben, für eine heilige Sache zu kämpfen, vertan habe, wie
die ärmsten Volksgenossen jahrelang ihre Groschen opferten, Gelder,
die, wie ich jetzt weiß, für andere als wohltätige Zwecke
verwendet worden sind usw.
Aber ich habe mitgewirkt, wenn auch als verblendeter Idealist, stets in
dem Glauben, meine Pflicht getan zu haben, meine Pflicht gegenüber
meinem Volk zu erfüllen." 158)
War seine Reue echt oder nur gespielt, um beim Entnazifizierungsverfahren
einen guten Eindruck zu machen? Seine letzten öffentlichen Worte überlieferten
uns die SN 1986:
"Tief ergriffen bedankte sich der Altersjubilar, vor allem für
das Gnadengeschenk der geistigen Frische." 159)
Mit seinen "Nationalsozialistischen Gedanken" hat sich Dr.Adolph
Herting selbst ein Denkmal der besonderen Art gesetzt.
Anmerkungen
BSSt = Beiträge zur Schleswiger Stadtgeschichte
DS = Der Schleswiger [Zeitung]
GemA Sl-Fl = Gemeinschaftsarchiv der Stadt Schleswig und des Kreises Schleswig-Flensburg
IZRG = Institut für Zeit- und Regionalgeschichte in Schleswig
LAS = Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig
SB = Schleibote
SN = Schleswiger Nachrichten
VZ = Volkszeitung - Flensburger Ausgabe
SA-Ränge und ihre Analoga bei der Wehrmacht:
Scharführer - Unteroffizier,
Truppführer - Feldwebel,
Obertruppführer - Oberfeldwebel,
Sturmführer - Leutnant,
Obersturmführer - Oberleutnant,
Sturmbannführer - Major,
Standartenführer - Oberst,
Oberführer - Rang zwischen Oberst und Generalmajor,
Obergruppenführer - General.
Stabsführer war kein Rang, sondern ein Titel.
Der Stabsführer war hauptamtlich beschäftigt, wurde also im Gegensatz
zu dem meisten anderen, ehrenamtlichen SA-Leuten bezahlt und hatte organisatorische
Funktionen.
Vgl. Wistrich, Robert: Wer war wer im Dritten Reich? Fischer, Frankfurt,
1993, Anhang: Vergleichende Übersicht der Ränge
1. Herting, Dietrich: Dr.Adolph Herting - nicht nur ein
Schleswiger Leben. BSSt, 42, 1997, S. 99-124
2. Dazu die dänisch gesinnte, deutschsprachige Zeitung "Der Schleswiger"
von 1929 bis 1934, die SPD-eigene "Volkszeitung" von 1929 bis
1932 und der "Kropper Kirchlicher Anzeiger" von 1882 bis 1917
3. SN, 8.5.1912, 10.2.1919, 13.3.1920
4. SN, 14.5.1913. Auch der Fischer Friedrich Nielsky setzte sich für
diese Partei ein, wie man dieser Zeitungsausgabe entnehmen kann. Friedrich
Nielsky war der Urgroßvater des 1999 amtierenden Schleswiger Bürgermeisters
Klaus Nielsky. Auskunft von Herrn Klaus Nielsky am 29.6.1999. 5. Vollertsen,
Nils: Der Kapp-Putsch in Schleswig 13.-20. März 1920. BSSt, 24, 1979,
S.145
6. VZ, 11.4.1929. Dieser Verein existierte seit ca.1923 bis mindestens
1963; vgl. Martens, Volker: Toten- und Knochenbruchgilden im Herzogtum
Schleswig. Jur. Diss., Göttingen 1966, Anhang S.12
7. Herting, Adolph: Holmer Jungs und Deerns. Landesbauernschaft Schleswig
- Holstein, 14, 1934, S.467-468
8. LAS Abt. 460 Nr. 2719. Entnazifizierungsakte von Dr.Herting, Fragebogen
des Military Government
9. wie Anm. 1, S.103
10. wie Anm.8
11. Herting, Adolph: Ma {ssenuntersuchungen an Schulkindern über den
Zahnzustand und vergleichende spezielle Untersuchung des Erscheinen der
bleibenden Zähne in höheren Schulen und Landsvolksschulen in
Schleswig und Umgebung. Med. Diss., Kiel 1921; Marcussen, Johannes: Massenuntersuchungen
an Schulkindern im Stadt- und Landkreis Schleswig und spezielle Untersuchungen
über die Karieshäufigkeit an den bleibenden Zähnen unter
besonderer Berücksichtigung des früheren Durchbruchs bei den
Mädchen. Med. Diss., Kiel 1921
12. SN, 31.12.1931
13. wie Anm. 1, S.103
14. Dr.Herting war Mitglied im Braker Ruder- und Segelregattaverein, wie
Anm. 8; vgl. Anm.1, S. 118, 120
15. Adreßkalender der Zahnärzte im Deutschen Reich von 1925/26,
S.452; 1927/28, S.515, Bibliothek der Zahnärztekammer in Köln
16. Herting, A.: Druckablenker zur Entlastungstherapie. Zahnärztliche
Rundschau, 20, 1933, S.922-923
17. LAS Abt. 309 Nr. 35020
18. Zur Erklärung der Berufsbezeichnungen Zahnarzt - Dentist - Zahntechniker
siehe Ritter, Falk: Ateliers für künstliche Zähne. Eigenverlag,
Schleswig 1996, S.12-18
19. SN, 18.10.1945
20. SN, 19.2.1954
21. Akten des Zahnärztevereins des Kreises Schleswig-Flensburg
22. Kreisstahlhelmtreffen in Schleswig, SN, 4.7.1932; SN, 30.1.1933, Nationale
Kundgebung auf dem Rathausmarkt, Stahlhelm und NSDAP marschieren gemeinsam;
Auch Dr.Trahns Nachfolger als Kreisführer des Stahlhelms war ein Zahnarzt,
nämlich Dr.Ernst Meyer in Kropp. LAS Abt.320, Schleswig L. Nr.148
vom 9.2.1935. In dessen Amtszeit fiel auch die Auflösung des Stahlhelms.
Zu Viohl: Vgl. Krause, Hans: Geschichte des Kirchspiels Kropp. Heinrich
Möller Söhne, Rendsburg 1938, S.94.
23. wie Anm. 1, S.118
24. Zahnärztliche Mitteilungen 19, 1971, S.960; Bremer, Horst: 1946-1996.
50 Jahre Zahnärztekammer Schleswig-Holstein. Schriftenreihe der Zahnärztekammer
Schleswig-Holstein, Heft 6, 1997, S. 42
25. Doll, Julius: Die Zahn- und Kieferanomalien der Pfleglinge in der Provinzial-
Idiotenanstalt Schleswig Hesterberg, ein Beitrag zu Idiotie und Gebiss.
Med. Diss., Kiel 1921 26. Malender Zahnarzt wurde 90. SN, 7.10.1986
27. wie Anm. 1, S.117
28. wie Anm. 26
29. wie Anm. 1, S. 120
30. LAS Abt. 320, Schleswig L. Nr.145 vom 13.11.1935
31. Herting, Adolph: Nationalsozialistische Gedanken. Teil V, SN, 5.4.1932
32. wie Anm. 8
33. wie Anm. 8
34. wie Anm. 8
35. wie Anm. 1, S. 120; Schreiber, Hermann, Schreiber, Georg: Geheimbünde.
Weltbild, Augsburg 1997. Die Rosenkreutzer. S. 177-196
36. wie Anm. 1, S.120
37. SB, 12.1.1912
38. SN, 17.1.1919, 18.1.1919, 23.1.1919
39. SN, 4.8.1921
40. Siehe die SN des Jahres 1924
41. Aus der Geschichte der NSDAP, Kreis Schleswig. SN, 24.2.1934
42. Paulsen wurde 1886 in Kiel geboren, wo er auch studierte und als Arzt
arbeitete; Paulsen, Ernst: Cholelithiasis beim Säugling. Med. Diss.,
Kiel 1912
43. Aus der Geschichte der NSDAP Ortsgruppe Schleswig. SN, 10.3.1934
44. Rietzler, Rudolf: Kampf in der Nordmark. Wachholtz, Neumünster
1982, S. 401. Dem Verfasser war kein Exemplar dieser Zeitung zugänglich.
45. M.d.L. Meyer-Quade Landrat des Kreises Schleswig. SN, 6.5.1933
46. Probefahrt des Kreisdampfers "Jochen Meyer-Quade". DS, 28.4.1934;
vgl. Christiansen, Theo.: Schleswig 1836-1945. Schleswig 1973, S.180
47. IZRG Datenpool
48. Philipsen, Bernd: "...völlig überflüssige Versammlungshäuser"
Die Pogromnacht vom 9./10.November 1938 in Schleswig-Holstein. In: Paul,
G., Gillis-Carlebach, M. (Hrsg.): Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte
der Juden in und aus Schleswig-Holstein und Altona 1918-1998. Wachholtz,
Neumünster 1998, S. 469
49. Straub, Erich: Zur Frage der Therapie beim engen Becken. Med. Diss.,
Freiburg 1912
50. SN, 17.12.1929
51. wie Anm. 47
52. Michel, Fritz: Der Gebrauch des Indikativus praesentis im Französischen,
sprachpsychologisch erläutert. Phil. Diss., Marburg 1919. Staatsarchiv
in Marburg, Bestand 307d, acc. 1932/51, Nr.276. Dr.Michels Dissertation
wird nicht im Katalog der Universität Marburg geführt, auch in
keinem anderen überregionalen Verzeichnis wie dem "Verzeichnis
der Deutschen Hochschulschriften" (Schreiben der Universitätsbibliothek
der Universität Marburg vom 20.5.1999). Ursache war vermutlich ein
Versehen der Universitätsverwaltung im Jahre 1919.
53. SN, 5.4.1933, "Zur Abwehr der jüdischen Greuelhetze";
SN, 21.8.1934 "Kommt er mit nach Nürnberg?" vgl. dazu LAS
Abt. 460.12 Nr. 196, Entnazifizierungs-Akte von Dr.Fritz Michel; SN, 20.7.1935,
"Warnung der Kreisleitung", vgl. dazu SN, 21.12.1935: Sondergericht
in Schleswig
54. Rüdel, Holger: Einst pries er die Bücherverbrennung. SN,
26.6.95
55. Vgl. den Anhang von: Michel, Fritz: Wege nach drüben. Erlebnisbericht
mit "DO X" und Käpt´n Krischan über Schleswig
und von Fahrten und Flügen nach Canada und USA. Sonderdruck aus "Schleswiger
Nachrichten" vom 1 7.Juli - 30. Juli 1964, Schleswig, 1964
56. SN, 8.6.1978
57. Reichstagswahlen am 31.7.1932: Schule Gallberg: SPD = 56,1 %, NSDAP
= 33%. Auch bei der "Volksabstimmung" und "Reichstagswahl
am 12.11.1933 war der Stimmenanteil für die NSDAP am Gallberg am niedrigsten.
Im Wahlkreis Lutherstraße konnte die SPD nur wenige Stimmen gewinnen;
vgl. SN, 1.8.1932, 13.11.1933
58. Reincke, Edith: Ein antijüdisches Plakat. In: Gesprächskreis
Erzählte Geschichte (Hrsg.): Schleswig im Nationalsozialismus. Zeitzeugenberichte.
Schleswig 1998, S.14; Ritter, Falk: Scharlatane, Heildiener und Parteigänger.
Heilpraktiker und Mediziner im Kreis Schleswig (1889-1950). In: Geschichte
und Biografie. Jüdisches Leben, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
in Schleswig-Holstein. Informati onen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte
(Akens) 1998, S. 28-29
59. DS, 21.6.1933
60. wie Anm. 48, S. 477
61. Bundesarchiv (ehemals Berlin Document Center BDC), Mitgliedskarte von
Dr.Adolph Herting
62. SN, 16.1.1934
63. Günther, Wolfgang: Die Zeit der Krisen vom Ersten zum Zweiten
Weltkrieg (1910 -1945). In: Eckhardt, Albrecht et al. (Hrsg.): Brake. Geschichte
der Seehafenstadt an der Unterweser. Heinz Holzberg, Oldenburg 1981, S.247-316
64. SN, 13.9.1932
65. SN, 12.6.1930
66. LAS Abt. 320, Schleswig L. Nr.130, 24.6.1930
67. VZ, 7.10.1931; vgl. VZ, 25.7.1929, SN, 27.7.1929
68. SN, 1.2.1937
69. wie Anm. 8
70. LAS 352, Kiel Nr. 3230
71. DS 16.8.1930
72. DS 28.11.1930
73. DS 21.1.1931
74. Kardel, Harboe: Mein Schleswiger Tagebuch. BSSt, 27, 1982, S.156
75. SN, 2.5.1931 bis 5.5.1931
76. wie Anm. 8, Anlage 5
77. SN, 29.6.1931
78. SB, 1.10.1931
79. SN, 20.1.1933, 21.2.1934
80. Die städtischen Kollegien tagen. SN, 6.10.1933
81. SN, 5.10.1933
82. SB, 12.4.1937, SN, 20.6.1939
83. SN, 24.10.1933
84. Bundesarchiv (ehemals Berlin Document Center BDC), Mitgliedskarte und
Akten von Gertrud Herting, Schreiben des Bundesarchivs vom 21.4.1998
85. SN, 15.2.1933, 18.2.1933; vgl. Christiansen, Theo.: Schleswig 1836-1945.
Schleswig 1973, S.79, S.75
86. SN, 30.3.1933
87. Schleswig - Erinnerungen des Bürgermeisters Dr.Behrens. BSSt,
8, 1963, S.23
88. Petersen, Ernst: Die Bürgermeister der Stadt Schleswig von 1350-1956.
BSSt, 1, 1956, S.9
89. SN, 6.1.1932
90. Herting, Adolph: Na, da haben wir ja den Salat! SN, 22.4.1932
91. Bürgermeister Dr.Herting spricht über seine Ziele. SN, 25.10.1933
92. wie Anm. 91
93. wie Anm. 8
94. Beigeordnetenprotokolle vom 26.10.1933. GemA Sl-Fl. Rechnet man die
Reichsmark auf der Basis von Hühnereiern um, so kommt man heute auf
1 RM = 2,60 DM.
95. SN, 23.1.1934, Anzeige: "Habe heute meine zahnärztliche Tätigkeit
wieder aufgenommen, Dr.Herting"
96. Geburtsanzeige, SN, 27.8.1934
97. SN, 20.11.1933
98. vgl. Anm. 8, Anlage 3
99. SN, 30.12.1933
100. SN, 22.1.1934
101. wie Anm. 87, S.24
102. wie Anm. 8, Anlage 4
103. wie Anm. 1, S. 120
104. wie Anm. 8, Spruchentscheidung
105. Ausnahme: SN, 4.7.1932
106. SN, 6.7.1932 Anzeige: Kein Rückzieher!
107. M.d.L. Meyer-Quade Landrat des Kreises Schleswig. SN, 6.5.1933; SN,
3.2.1932
108. wie Anm. 68
109. Für diese Erklärung dankt der Verfasser Herrn Bernd Philipsen
von den SN
110. Anhang zu Dr.Hertings Kriegstagebuch 1. Weltkrieg. S.5, GemA Sl-Fl
111. SN, 4.3.1931
112. SN, 9.3.1931
113. Clausen, Hermann: Der Aufbau der Demokratie in der Stadt Schleswig
nach den zwei Weltkriegen. Skandia, Flensburg 1966, S.116, 122
114. Diese Einschätzung Clausens war nicht korrekt, denn die NSDAP
war eine richtige Volkspartei. Quelle: Grabitz, H., Bästlein, K.,
Tuchel, J., Klein, P., Voigt, M.: Die Normalität des Verbrechens.
Edition Hentrich, Berlin 1994, S.37
115. wie Anm. 113, S.128
116. Herting, Adolph: Nationalsozialistische Gedanken. Teil I., SN, 23.3.1932
117. DS 31.1.1930
118. SN, 3.2.1931, 15.1.1932, 22.2.1932, 18.3.1932
119. SN, 9.3.1931, 16.4.1932
120. SN, 14.9.1931
121. SN, Reden: 6.1.1932, 9.2.1932, Schriftliches: 11.3.1932, 23.3.1932,
2.4.1932, 5.4.1932, 22.4.1932, 29.10.1932, 31.10.1932, 2.11.1932, 4.11.1932
122. SN, 11.3.1932
123. SN, 31.3.1933 bis 5.4.1933
124. Koch, Erich: Was nützt einem die Assimilation, wenn man Horwitz
oder Weinberg heißt. Schicksale jüdischer Familien in Schleswig.
In: Paul, G., Gillis-Carlebach, M. (Hrsg.): Menora und Hakenkreuz. Zur
Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein und Altona 1918-1998.
Wachholtz, Neumünster 1998, S. 382-384
125. SN, 6.4.1932, 25.1.1936
126. SN, 11.3.1932, 23.3.1932, 24.3.1932, 5.4.1932, 11.3.1933
127. wie Anm. 124, S. 370
128. wie Anm. 1, S. 110
129. Goldhagen, D.J.: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche
Deutsche und der Holocaust. Siedler, Berlin 1996, S.103
130. wie Anm. 129, S.678-679
131. SN, 9.1.1934
132. Herting, Adolph: Nationalsozialistische Gedanken. Teil II, SN, 24.3.1932
133. wie Anm. 8
134. Vortrag von Prof.Dr.U. Danker am 6.3.1997 im Prinzenpalais in Schleswig
mit dem } Thema: "Pension für den ehemaligen Gauleiter Lohse"
135. SN, 12.12.1931, 6.1.1932, 9.2.1932, 26.3.1932, 13.9.1932, 23.1.1933,
11.3.1933, 22.3.1933, 30.3.1933, 2.5.1933, 6.5.1933, 14.6.1933, 6.10.1933,
23.2.1934. Die "Hüsbyer" Rede konnte nicht ermittelt werden.
Dr.Herting hielt fast nur in Schleswig politische Ansprachen. Gefundene
Ausnahme: 17.3.1933 in Kropp. Vgl. Krause, Hans: Geschichte des Kirchspiels
Kropp. Heinrich Möller Söhne, Rendsburg 1938, S.93.
136. wie Anm. 26
137. wie Anm. 8, Dr.Hertings Aussage vor dem Entnazifizierungsausschuß
am 27.8.1947
138. wie Anm 1, S. 111, 108
139. wie Anm. 8, Anlage 5; vgl. Dr.Hertings Aussage vor dem Entnazifizierungsausschuß
am 27.8.1947, Anm. 8; vgl. Anm 1, S.115
140. Skierka, Joachim: "Rundbriefe" der Domschule Schleswig als
historische Quelle 1940 bis 1944. BSSt, 42, 1997, S. 51, 74-75
141. Dr.Hertings Kriegstagebuch II. S.9, GemA Sl-Fl
142. wie Anm. 47
143. wie Anm. 8
144. Ernst Ramcke war der Bruder des Fallschirmjägergenerals Bernhard
Ramcke, dem die Schleswiger 1951 einen triumphalen Empfang boten. SB, 7.7.1951.
Andersen schrieb Ramckes Namen falsch; Ramckes Rang war 1934 erst SA-Obertruppführer
und nicht Sturmbannführer. Vgl. SN, 24.2.1934
145. wie Anm. 8, Anlage 3
146. wie Anm. 124
147. SN, 14.10.1933, SN, 22.1.1934. Bei der Stadt wurden vorzugsweise Nationalsozialisten
eingestellt.
148. wie Anm. 1, S.112-113
149. Dr.Hertings Grußwort zum Nordmarktreffen. SN, 23.5.1936
150. wie Anm. 68
151. wie Anm. 1, S.108
152. Wegner, Bernd: Hitlers politische Soldaten. Schöningh, Paderborn
1982, S.36
153. wie Anm. 84
154. wie Anm. 84
155. wie Anm. 84
156. wie Anm. 1, S.120
157. wie Anm. 152
158. wie Anm. 8, Anlage 12 159. wie Anm. 26
Nachweis der Abbildungen in der gedruckten Fassung
Abb.1: SN, 24.10.1933
Abb.2: Eigentum des Verfassers (1998)
Abb.3: Photograph Vahlendieck sen., Dank an seinen Sohn Wilhelm Vahlendieck
Abb.4: SN, 21.2.1934
Abb.5: Michel, Fritz: Stunden der Besinnung. Reich, Hamburg 1960
Abb.6: SN, 24.2.1934
Abb.7: GemA Sl-Fl, vgl. SN, 31.3.1933
Korrekturen der gedruckten Version:
- Unter der Abb. 1 auf Seite 76 muß es heißen: "Dr.Adolph
Herting in Kreisleiteruniform mit dem Ordensband des EK II."
- In der Bildunterschrift der Abb.3 auf Seite 80 wurden Meyer-Quade und
Reimann vertauscht. : 1. von links ist Reimann, 2. ist Meyer-Quade.
- Seite 83, 6. Zeile von unten: Es muß heißen. "Dr. Herting
bekleidete dieses Amt bis zum 31. August 1932."