Johann Philipp Rauch Waldtmann
Nordeuropas erster Zahnarzt
von Falk Ritter
Schleswig 1997
Zwei Bilder aus Parés Büchlein, die zeigen, wie
1564 chirurgische Nähte aussahen.
Die Frau trägt eine Pflasternaht an der Wange, das Kind eine umwickelte
Naht in der Lippenspalte.
Veröffentlicht: Ritter,F.: Johann Philipp Rauch Waldtmann, Nordeuropas erster Zahnarzt. Die Heimat, November / Dezember 1997, S. 217- 219
Waldtmann wurde Mitte des 17. Jahrhunderts in Nürnberg geboren. Wo er seine Ausbildung genossen hatte, ist unbekannt. Im Jahre 1670 hatte er sich "in Tonning heusl niedergelasen". Am 9.5.1671 bekam er aus Schleswig die Concession, in den "Furstenthumen Schleswig Holstein und in corporirten landen so wohl in als außerhalb der Jahrmarkten seine Medicamente feilbieten und verkaufen" und "ungehindert und unmolestirt practiciren ". Diese Erlaubnis wurde auf seine Anträge hin noch dreimal erneuert, nämlich am 6.3.1675, 12.3.1679 und am 2.5.1683. 1) Nach seinen eigenen Worten praktizierte er auch in Hamburg und Lübeck. Seine Berufsbezeichnungen lauteten: Destillator, Fluß-, Zahn- und Wundartzt, Laborant und Quacksalber. Quacksalber kommt aus dem Niederländischen und bedeutete "prahlerischer Salbenkrämer". "Fluß" ist ein altes Wort für Rheuma. Manche Zahnschmerzen bezeichnete man als "rheumatische Zahnschmerzen" oder "Zahnfluß". Ärzte unterschieden sich damals von den Wundärzten dadurch, daß Letztere Medikamente nur äußerlich anwenden durften.
In seinen Gesuchen um "renovatio der concession" bat Waldtmann auch darum, einem gewissen Johann Baltzaw von Gemring, der vermutlich in gleicher Profession in den Herzogtümern praktizierte, die gleichen Rechte nicht zu schmälern, wies aber auch darauf hin, daß "Johann Baltzaw von Gemring nicht im Lande und vielleicht gahr nicht mehr im leben" sei.
In "Danske Tandlæger" ist weiter über ihn zu lesen: 2)
"Johan Philip Rauch Waltmann war Destillator sowie Fluß=, Zahn= und Wundarzt in Tönning und hatte die königliche Bewilligung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein zu praktizieren. Im Vertrauen auf diese Bewilligung wagte er sich auch ins Königreich, wurde aber auf Betreiben des Apothekers Jacob Becker in Odense verhaftet und seine Medikamente konfisziert. Daraufhin beklagte sich Waltmann bei der Kanzlei und verlangte eine Bewilligung für Dänemark. Die Kanzlei schlug dem König vor, den Magistrat von Odense aufzufordern, ihn auf freien Fuß zu setzen, ihm seine Medikamente wieder auszuhändigen und ihn in seiner Praxis nicht zu behindern. Zugleich befahl die Kanzlei, daß man ihm die gleiche Bewilligung für Dänemark aushändigen solle, wie er sie für die Herzogtümer bekommen hatte.
Am 17.April 1686 stellte sie dann auch folgende Bewilligung aus: `Hiermit wird allen kundgetan, daß wir das alleruntertänigste Ersuchen und Begehren des Johan Philip Rauch Waltmann aus Tönning in unserem Fürstentum Schleswig allergnädigst bewilligt haben. Wir bewilligen und erlauben ihm seine Medikamente auf allen Märkten und auch zu anderen Zeiten in unserem Reich und seinen abhängigen Ländern feilzuhalten und zu verkaufen. Ferner darf er auch Patienten behandeln, wenn er sich vor der Medizinischen Fakultät unserer Königlichen Residenzstadt Kopenhagen einem Examen unterzogen hat und für tüchtig befunden wird.´
Waltmann wurde folglich ein privilegierter Arzt und der Apotheker konnte ihm nichts mehr anhaben. Der Magistrat der Stadt Odense stellte ihm obendrein noch ein Attest aus, welches seine Tätigkeit beschrieb, aber leider nichts über seine zahnärztliche Kunst aussagte.
Es lautete: `Wir Bürgermeistere und Rath der Königl. Dännemarchsche Stadt Ottense Thun Kundt und Bekennen hie mit, gegen Jedermännigliche, dass vorweiser diesses der Ehrevester und Kunst Erfahrner Meister Johan Philip Rauch auss der Stadt Nürnberg Bürtig, Laborant, und wund artzt, mit einem grünen Kräuter und wund Balsohn Lebens Puluer, und andern Medicamenten im freyen Marchet, alhie etzliche tagen aus gestanden die Medicamenten im dess fahls ziemlichen Zu Lauf gehabt auch damit zu eines Jede vergnügen gute proben und Cuur gethan dass Männlich mit demselben wohl Friedlich=Massen unter andern Einem Man vom Lande Nahmens Jacob Hansen ein Müller wohnhaft in Tarup einen abscheulichen Krebs schaden welchen er schon drey Jahr in seinem Munde gehabt, geschnitten, und eines halb 10 tagen Nest Gotlicher Hülfe, wieder nun glücklich Curirt und zu seiner vorigen gesundtheit geholfen wie auch einen Knaben nahmens Christian Hansen seines alters 16sten Jahr, einen abscheulichen hasenmund Geschnitten, und Eenner halb 9 tagen Glüchlich Curirt und zu Recht gebracht, weile nun Er dieses tuns umb Ertheilung eines Attestati, Dienstlich und Indständig angesucht, So haben wir Ihn solches nicht abschlagen Können Sonder mit diesem Briefe versehen, und wegen seines guten verhaltens hiemit Männiglichen zum Beste Recommoderen und dessen zu Uhr Kunde den selben Mittelst unter Getruchte diesser Stadt Sigiel und des Secretarius Subtenption Bestärche wolle So geschehe, Ottense dend Fünffte May Anno 1686. L.S. Jusu spectabilis Senatus Christiernus Jacobi Secretearius Otthoniensis.´
... soviel ist zu verstehen, daß der Bürgermeister und Rat den ehrlichen und kunsterfahrenen Meister Johan Philip Rauch auf das beste empfahlen. Er hatte großen Zulauf, als er auf den Märkten seine Salben aus grünen Kräutern, seinen Wundbalsam, das Lebenspulver und andere Medikamente verkaufte. Auch zeigte er gute Proben seiner ärztlichen Kunst, indem er zum Beispiel den Müller Jacob Hansen aus Tarup innerhalb von 10 Tagen durch die Operation seines Mundkrebses heilte, an dem er schon 3 Jahre litt, oder indem er dem 16jährigen Christian Hansen eine abscheuliche Hasenscharte wegoperierte, die schon nach 9 Tagen verheilt war."
Hasenscharten- und Krebsoperationen wurden damals tatsächlich schon durchgeführt. Die Bilder 1und 2 mit Wundnähten aus Parés Büchlein zeigen, wie die daraus resultierenden Wunden früher vernäht wurden. 3) Anfragen in den Archiven der Städte Hamburg, Lübeck, Nürnberg und Tönning ergaben keine weiteren Hinweise auf Waldtmann. Auch Prof. Hoffmann-Axthelm, der beste deutsche Kenner der Geschichte der Zahnheilkunde, kannte Waldtmann auf Befragen nicht. 4) Zahnbehandlung war vor Mitte des 19. Jahrhunderts die Domäne der Barbier-Chirurgen und Zahn-Operateure. 5) Doch gab es auch Ärzte, die Zähne behandelten, wie den isländisch- norwegischen Arzt Dr.Jon, dessen Tätigkeit in Kopenhagen für das Jahr 1620 belegt ist. 6) Waldtmann aber war nach der derzeitigen Quellenlage 1670 in Nordeuropa der erste, der sich ausdrücklich "Zahnarzt" nannte. Nach seinem Behandlungsspektrum würde man ihn heute wohl als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen bezeichnen.
Anmerkungen:
Die Übersetzungen aus dem Dänischen wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt.
1. Landesarchiv Schleswig, Abt. 7, Nr. 5991, Johann Philipp Rauch Waldtmann.
2. Stürup,H.: Danske Tandlæger, Andelsbogtrykkeriet, Odense
1931.
3. Paré, Ambroise: DIX Livres De La CHIRVRGIE, AVEC Le Magasin des
Instrumens neceßaires à icelle. Jean le Royer, Paris 1564.
4. Hoffmann-Axthelm, W.: Die Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Quintessenz, Berlin 1995.
5. Ritter,F.: Ateliers für künstliche Zähne. (Hof-) Zahnärzte,
Zahntechniker, Dentisten und Barbiere im Kreis Schleswig und ihre Behandlungsmethoden
im 19. Jahrhundert. Eigenverlag, Schleswig 1996.
6. Jon Olafssons Oplevelser som Bøsseskytte under Christian IV,
nedskrevne af ham self. I Oversættelse ved. S.Bløndal, København
1905 (Memoirer og Breve af Julius Clausen og P.F.Rist I).
Bildernachweis:
Bild 1: aus Paré: Pflasternaht
Bild 2: aus Paré: Kind mit umwickelter Naht in Lippenspalte